Brief vom 30.09.1916

schön. Da wächst die Rebe und der Pfirsich, der Nußbaum und die Apri-
kose, köstliche Äpfel und Zwetschgen habe ich gegessen. Weithin reiche
Maisfelder, Weizen und Hafer ebenfalls. Eichenwälder auf
den Höhen mit Baumriesen(1) wie im Tierpark am Warten-
berg(2). Schweine, Federvieh in Fülle und das prächtige Schwein. Schweizer Vieh in großen Herden auch jetzt noch. Daneben den
ungarischen Büffel, schwarz mit zurückgebogenen Hörnern, der
kein gutes Fleisch, aber eine desto bessere Milch gibt, eine Milch,
wie man sie bei uns sich gar nicht denken kann.

Fast alle Dörfer haben neben der sächsichen(!) Bevölke-
rung einen rumänischen Volksteil mit eigener griech.[isch] orien-
talischer Kirche und eigenem Popen(3). Doch unverkennbar ist der
Sachse der Herr. So mag es kommen, dass in Siebenbürgen der
Deutsche, wo er als Herrenvolk auftrat seine Volksart so zäh
bewahrt hat. Der Walache, wie der Rumäne allgemein
genannt wird, besorgt die Feldarbeit auf den Feldern des Deutschen

---
Anmerkungen:

(1) Baumriesen sind große und alte Bäume.
(2) Der Wartenberg in der Nähe der Stadt Calbe (Saale) ist mit seinen 121 Meter die höchste natürliche Erhebung in der südlichen Magdeburger Börde. Das Tiergehege existiert heute noch.
(3) orthodoxer Priester

Letzte Änderung: 18.04.2012