Brief vom 19.02.1917

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I. E.[ingang] 4. III 19. Februar 1917

Liebe Eltern!

Ich habe Gelegenheit durch einen
in Urlaub fahrenden Offizier Euch
diesen Brief zukommen zu lassen.
Da ich nicht weiß, ob Ihr bis dahin meine
früheren Schreiben erhalten habt, teile
ich Euch noch mal mit, daß ich am 27.
I.17. das Eiserne Kreuz 1. Klasse er-
halten habe.

(a)Unterdes(a) habe ich Euch in einer
Anzahl von Päckchen verschiedene
Bücher zurückgeschickt, die Ihr wohl
mit der Zeit erhalten werdet.

Die kleinen Weihnachtspaketchen


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Anmerkungen:
(a) unsicher, vielleicht auch: Nebendes

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habe ich erhalten, ebenfalls das große mit dem Wollsweater. Noch-
mals meinen allerherzlichsten Dank.

Hier ist nun des Dienstes Uhr aufgezogen und geht ihren
gleichmäßigen Gang. Ich habe es gut. Ich wohne in meiner sog.[enannten]
Protzenstellung in einem etwas rückwärts gelegenen Dorf
ganz in der Nähe vom Ausgangspunkt meiner Urlaubsreise.
Die Feuerstellung ist hiervon etwa 3 km ostwärts. Wir liegen
hier auf einem Boden der platt wie ein Kuchenteller und
baumlos sich erstreckt, das ist natürlich ungünstig für eine
Batterie, die sich verstecken muß, damit sie vom Feind nicht
bekämpft werden kann. Man muß sich decken nicht nur
gegen Sicht vom Boden, sondern auch gegen Flieger. Glücklicher-
weise sind die russischen Flieger nicht allzu wagemutig[.]

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So graben wir uns denn lang-
sam aber sicher in den Boden ein,
bis hoch über die Nase und dann
bergmännisch in den Boden.

Man hats gelernt bei Verdun.
Die Russen haben aber mehr
Geschick, die sind schneller im
Boden wie wir. Rumänen
sind uns nicht mehr gegen-
über. Die Russen graben
und bauen was Zeug hält.
Daß sie hier angreifen, glaube

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II

ich nicht. Andererseits vermag ich
über unsere Absichten verständlicher-
weise gar nichts zu sagen.

Neben der taktischen für den
Kampf berechneten Tätigkeit
ist natürlich in der Batterie viel zu
tun, um, was während des Be-
wegungskrieges verbraucht ist[,]
zu bessern. Material muß in Stand
gesetzt werden. Pferdepflege erfor-
dert viel Aufsicht. Futter ist na-
türlich, wenn man so lange an
einem Ort ist, knapp. Und doch

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möchte man runde Pferde haben. Dann muß mit dem in
der langen Zeit der geringen Beaufsichtigung etwas aus
Rand und Band geratenen Mannschaft exerziert wer-
den, damit wieder etwas Drill hineinkommt.

So gibt es immer Arbeit. Aber langweilich ist’s halt
doch auf die Dauer. Man ist das schöne Soldatenleben des Be-
wegungskrieges gewohnt.

Der Ubootkrieg und die Note vom 1. Februar, die haben
uns Freude gemacht. So ist´s recht. Wenn im Monat eine
Million Tonnen versenkt werden, dann gehts in diesem Jahr
mit dem Krieg zu Ende. Ich will nicht klagen, aber wir
sind alle doch recht kriegsmüde geworden. Nicht ohne daß wir
wüßten, wie not das Durchhalten tut. Hoffentlich geht es

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wieder ein bischen drauf
und vorwärts, so nach
Kiew zu. Das wäre wieder
was für einen alten Sol-
daten.

Herzlichste Grüße
Euer dankbarer
August