Brief vom 08.11.1916

Seite 1:

1 E.[ingang] 16.XI. Im Felde 8. Nov. 1916

Liebe Eltern!

Ich schicke die Photographien, die
mir große Freude gemacht haben,
mit Bezeichnung zurück. Die Bilder
selber sind fürs Album bestimmt.
Auf den Bildern ist vermerkt
X x" wie viele A b z ü g e ich davon gefertigt haben möchte. 29 gr., 15 kl.(1)
Der Film von dem Grabstein
bitte ich an "D r. S t e i n t h a l ,F e l d g e i s t-
l i c h e r G a r d e E r s[a t z] D i v[i s i o n] S t a b" zu
senden, auf dessen Wunsch die Auf-
nahme gemacht ist.

Zugleich möchte ich noch eine

---
Anmerkung:

(1) darüber geschrieben: 17.XI

Seite 2:

Bitte aussprechen. Ich habe mich durch
einen meiner Batt.[erie] Off.[iziere] L[eutnan]t. Kohl
an dessen Schwester gewandt
wegen Kaufes der neuerlich
erschienenen Vivatbänder(1). Sie
wird sich unmittelbar an Vater
wenden und die Bänder nach
Freiburg schicken. Bezahlung regele
ich (Den Überschuß bekommt das
rote Kreuz).

Nun einige Bemerkungen zu
den Bildern.

Es ist noch eine alte von Verdun(2)
dabei. Unsere Leute mit Gasmaske
u[nd]. Stahlhelm, seltsame Erscheinungen!

---
Anmerkungen:

(1) Vivatbänder waren Sammelobjekte während des Ersten Weltkrieges in Österreich und in Deutschland. Ihre Motive wurden von bekannten Künstlern gestaltet und thematisierten meist größere Schlachten oder Kriegshelden. Die Einnahmen kamen dem Roten Kreuz oder der Kriegsfürsorge zugute.

(2) Stadt im Nordosten Frankreichs.

Seite 3:

St. Georges(1) war für einige Tage
unser Quartier in den Argonnen(2).

Die Bilder aus Petersdorf(3) zeigen
das alte als Ruine daliegende
Kirchenkastell und die jungen
Petersdorferinnen und Buben aus
P[etersdorf] sowie unsere Kanoniere beim
Kirchgang. Die Tracht ist eigenartig.
Ich habe schon einige Trachtenbilder
aus P[etersdorf]. geschickt. Aus Omlas(4) oder
Hamlesch(5) stammen andere Bilder.
Die jungen Mädchen dort haben eine
reizende Tracht, erinnert an die
holländische. Die Burschen sind leider
verwackelt. Das Bild aus mei-
nem Quartier zeigt ein typisches

---
Anmerkungen:

(1) Ort in den Argonnen.
(2) Bergland im Nordosten von Frankreich.
(3) Ort in Siebenbürgen.
(4) Ort in Siebenbürgen.
(5) Ort in Siebenbürgen.

Seite 4:

Haus dieser siebenbürgischen Dörfer.
Es ist der Hof[,] in dem meine Bur-
schen und die Pfarrerstochter stehen.
Der rum. griechisch-orientalische
Pope(1) war sehr freundlich ob wirk-
lich oder nur gemacht kann
ich nicht sagen. Weiter sind Bilder
da aus Predeal(2), einige Villen
und der zerstörte Bahnhof.

Das Bild mit den Gefangenen
Rumänen ist recht interessant.
Es sind Leute aus der Dobrudscha,
merkwürdiges Gemisch, Türken,
Bulgaren, echt Rumänen und
Juden. Einer von der deutschen

---
Anmerkungen:

(1) Bezeichnung für einen Priester der orthodoxen Kirche.
(2) am höchsten gelegene Stadt in Rumänien (1093 Meter Höhe).

Seite 5:

2

Levantelinie(1) erzählte einiges.
Sie haben jedenfalls einen ge-
waltigen Respekt vor den Deut-
schen. Ein Bild zeigt unsere Feuer-
stellung in einem Waldtal südl[ich]
Predeal.

Nun zur Beantwortung
eurer lieben Briefe vom 25/10,
26/10 und 28/10. Dem Vorgehen nach
S. stehen zahlreiche Schwierigkeiten
entgegen. Der Feind hat hier zahl-
reiche von langer Hand vorberei-
tete und sehr starke Stellungen,
Talsperren und Hohenstellungen[!].
Diese letzteren befinden sich alle in

---
Anmerkung:

(1) Schifffahrtsgesellschaft, vor allem für die Länder des östlichen Mittelmeeres.

Seite 6:

Feldberghöhen und müssen einzeln
genommen werden, was Zeit
erfordert. Auch hier wird alles
mit Art.[illerie] gemacht. Ich klettere
von einem Berg zum andern.
Kilometerlange Fernsprechlei-
tungen verbinden mich mit
der Batterie und so suche ich
von oben herab Einblicke in fdl. [feindliche]
Stellungen zu gewinnen und
zu beschießen. D e n S c h w a g e r
S c h w a l b a c h ’s h a b e i c h m i r g e-
m e r k t.

D a s G e l d a n d i e B u r s c h e n-
s c h a f t (a) möchte ich selber bezahlen[,]

---
Anmerkung:

(a) durchgestrichen "hab"

Seite 7:

werde ich machen sobald ich den
Bericht in Händen habe.

Mit B a n d v e r l e i h u n g a n
W a l t e r T h ö m e r bin ich e i n v e r s t a n-
d e n.

B e s o n d e r e W ü n s c h e e r s t r e c k e n
sich n u r a u f S c h o k o l a d e u n d a b u n d
z u e i n i g e Z i g a r e t t e n.

Dein Zerwürfnis mit Sondinger
hat dir glaube ich nicht viel geraubt.
Sond.[inger] ist eben ein eigensinniger
Trotzkopf.

Über den Anlaß dazu möchte
ich Dir sagen, daß (a)Nebel(a), dem ich
ab und an schreibe, mir über den
Fall Rev. und der Kanzlerfronde(1)

---
Anmerkungen:

(a) unsichere Lesart

(1) Bewegung konservativer Politiker und Industrieller, Reichskanzler Bethmann Hollweg zu stürzen, welche schließlich zum Rücktritt des Reichskanzlers am 13. Juli 1917 führte.

Seite 8:

auch geschrieben hat und ich muß
annehmen, daß er dieser Be-
wegung nicht ablehnend gegen-
über steht. Ich habe mir noch kein
Urteil bilden können bei den
widersprechenden Nachrichten der
Presse. Eines ist sicher. Je kräfti-
ger und wuchtiger unsere Schlä-
ge sind, desto schneller ist der
Krieg zu Ende. Ich kann aber
nicht annehmen, daß unser
Kanzler mit Schwächlichkeit
kräftigem Vorgehen abhold
sein sollte.

Die Gerüchte über einen

Seite 9:

III.

Sonderfrieden mit Rußland
wollen nicht verstummen. Viel-
leicht kommt die Sache doch noch
zum Klappen und bezahlt
Rum.[änien] die Zeche, so daß man
Rum.[änien] aufteilt und Rußland
davon in Austausch mit Polen
etwas in den Rachen wirft.
So wäre Rum.[äniens] Kriegserklär[un]g
kein schlechtes Geschäft für uns.
Seltsam ist jedenfalls das Aus-
bleiben der russischen Hilfe.

F i l m p a c k s b r a u c h e i c h n u r
e i n e n g r o ß e n 9 x 12, kleine
habe ich überreichlich.

Seite 10:

M e i n e G l ü c k w ü n s c h e z u r W i e d e r-
h e r s t e l l u n g E d i n g e r ’s.

Vielleicht bekomme ich doch noch
Urlaub, wenn hier die Möglich-
keit abzukommen vorliegt. In-
dessen liegt das ganz im Unge-
wissen.

Karte vom 29/10 habe ich
auch erhalten. Es freut mich, daß
Euch mein Bildchen gefallen hat.
Nur die Füß sind zu lang.

Zopf ist n i c h t zur Infanterie
gekommen. Der nächst höhere
Verband heißt bei der Fußar-
tillerie nach der Batterie

Seite 11:

Bataillon, was dasselbe be-
deutet wie bei der Feldartillerie
Abteilung also Majorsstelle.
Mit Prinz Fritzi(1) komme ich ab
und zu zusammen.

Nun aber ruft der
Dienst. Herzlichste Grüße Euer
dankbarer und gesunder

August

---
Anmerkung:

(a)Wahrscheinlich Prinz Fritz von Fürstenberg, von dem im Brief vom 18.10.1916 die Rede ist.