Brief vom 19.09.1916

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E.[ingang] 2.X Im Felde 19.9.16

Liebe Eltern!

Immer noch liegen wir in
Ruhe am Orte, den ich dir ange-
deutet habe. Ich hoffe, daß die Post-
verbindung nächstdem in Gang
kommt.

Zunächst einen kleinen
Wunschzettel. An Lesefutter bitte
ich mir so nach und nach Folgendes
zu senden:

Aus Reclams Universalbibl.[iothek]

4406-10 (Gerstäcker)(1), 561-565; 3016
-3020 (Jokai)(2), 1026 (Laube)(3),
1765/66 (Bemsteinhexe)(4) 3369/70

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Anmerkungen:

(1) Friedrich Gerstäcker, Die Flußpiraten des Missisippi (Roman).
(2) Jókai, Mór, Ein ungarischer Nabob (Roman).
(3) Heinrich Laube, Der Hauptmann von der Schaarwache (Lustspiel).
(4) Maria Schweidler, Die Bemsteinhexe, hrsg. von Wilhelm Meinhold, Leipzig, Ph. Reclam; Univ.-Bibl. No. 1765-66.

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(Nadler)(1), 120, 4054, 330, 49(Raimund)(2)
2595, 1725, 1046 (Zschokke)(3)

aus Hesse´s Volksbücherei
bei Hesse u.[nd] Becker, Leipzig:
Johannes Scherr, Menschliche Tragi-
komödie (kart.[oniert] je 80 Pf[enni]g)(4)
Twain Marc, die Million Pfund-
note(5) u.a.

Ferner bitte ich um gelegent-
liche Sendung von Zigaretten. Die
restlichen von Filos waren recht gut.

Hier ist das Land wo Milch u.[nd]
Honig (a)fleußt(a). Rinder, Schweine,
Gänse[,] Enten und Obst gibt es in
reicher Fülle. Die Felder stehen
gut. Heu ist reichlich da. Nur Korn

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Anmerkungen:

(a) gemeint ist "fließt"

(1) Karl Gottfried Nadler, Fröhlich Palz, Gott erhalts´. Gedichte in Pfälzer Mundart.
(2) Ferdinand Raimund, der Verschwender.
(3) Heinrich Zschokke.
(4) Johannes Scherr, Menschliche Tragikomödie. Gesammelte Studien, Skizzen und Bilder.
(5) Marc Twain, Die Million-Pfundnote und andere humoristische Erzählungen.

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ist etwas weniger vorhanden.
Hafer wenig, Brotfrucht genü-
gend. Mais ist nicht gut gera-
ten.

Alles in Allem ein schönes
und reiches Land, in dem auch
heute noch keine Hungeleide-
rei herrscht und von dem ich
begreife, daß es anderen in die
Augen sticht.

Wir arbeiten jetzt daran,
die Truppen wieder herzustellen[,]
Pferde werden neu eingestellt,
die alten Pferde wieder ordentlich
geputzt, Fahrzeuge in Stand gesetzt,
exerziert, um die Leute wieder

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in die Hand zu bekommen.

Es gibt also auch in der Ruhe
Arbeit genug. Mir geht es aber
gesund und wohl. Die Strapazen
von Verdun sind hinter uns und
gut überstanden und nun geht
es frisch und fröhlich in die Berge
einem neuen Schicksal entgegen.

Ich muß wieder feststellen,
daß ich froh sein kann zum Alpen-
korps gekommen zu sein. Man
sieht etwas von der Welt und
das erleichtert die lange Kriegs-
zeit auszuharren.

Herzliche Grüße Euer

August.