Feldpostbriefe von August Dänzer

Zitation

Feldpostbriefe von August Dänzer, in: Gundula Gahlen (Hrsg.): Feldpost 1916/17. Die Briefe und Tagebücher des Oberleutnants August Dänzer aus Siebenbürgen und Rumänien (2012) , URL: http://www.uni-cms.net/feldpostsammlung/druck.php?art=1 (20.04.2024).

05.09.1916

Seite 1:

E[ingang] 13.9. Im Felde 5.Sept.[ember] 1916

Liebe Eltern!

Ich wage zu verraten,
daß ich in dem großen
und berühmten Wald-
gebiet bin. Diese Gegend
hat wieder ihr Beson-
deres an sich. Indessen
laufen wiederum Ge-

Seite 2:

rüchte um. Was wahres daran ist, weiß ich nicht.
Ich selber befinde mich wohl und gesund. Urlaub
ist für die nächsten 14 Tage nichts als frommer Wunsch. Es gibt viel zu tun im inneren
Dienst und daher muß ich schon warten, bis ich
weg kann.

Einstweilen meine herzlich-
sten Grüße Euer
August.

07.09.1916

Seite 1:

E.[ingang] 9 IX 7.9.1916

Liebe Eltern!

Zuvorderst nochmals die Be-
stätigung, daß ich gesund und
(a)g`fräß(a) bin. Dann bitte ich Euch
nicht zu beunruhigen, wenn
die Postverbindung abreißt
und unregelmäßig wird.

Allem nach, was ich höre,
geht`s wieder frisch zum fröh-
lichen Jagen in ferne Lande.

Ich freue mich sehr darauf,
wieder ein schönes Stück

---
Anmerkung:

(a) mundartlich für "satt"

Seite 2:

unbekannter Erde zu sehen. Verdun(1) liegt hinter uns und
ist glücklicherweise gut überstanden worden. Dann
sind wir auf wenige Wochen in eine Gegend ge-
kommen, deren Lage Ihr aus den einliegenden
Bildern entnehmen kannst. Nun sind wir wie-
der Armeereserve. Vor Verdun hat unsere Division
Glänzendes geleistet[.] Das (a)I. Leib. Reg(a) und die Jäger haben
in prächtigem Sturm Fleury(2) und Thiaumont(3) ge-
nommen. Schade ist, daß Fleury unseren Nachfolgern
wieder verloren gegangen ist. Indes glaube ich nicht,
daß der Verlust taktisch sehr groß ist. Durch den letzten
Gewinn an der Souvilleschlucht(4), eine Gegend, die ich recht
gut kenne, ist die Linie sehr schön gerade geworden. Ich

---
Anmerkungen:

(a) kgl. bayr. Infanterie-Leib-Regiment

(1) Seit dem Krieg von 1870/71 ständig ausgebaute französische Festung und stärkste Verteidigungsanlage Frankreichs im Ersten Weltkrieg; deutsch-französische Front; Schauplatz einer der bedeutensten Schlachten des Ersten Weltkriegs, die ohne Frontverschiebung nach Westen endete
(2) Gemeinde im Département Moselle, Lothringen; Name unter deutscher Besatzung (1915-1918): Flöringen
(3) Befestigungsanlage zwischen den Verteidigungsanlagen Douaumont und Maßtal, Region Verdun
(4) südöstlich von Fleury

Seite 3:

bin der Überzeugung, daß bei
Verdun nichts mehr unter-
nommen wird.

Rumänien hat m.[eines]E.[rachtens] ei-
nen Fehler gemacht mit
seinem Angriff auf Sie-
benbürgen. Wenn uns der
alte Alliierte(1) hilft, so wer-
den wir den Rumänen
über die Donau in den
Rücken fallen und den
Meister zeigen. Herzliche

Grüße Euer

August.

---
Anmerkung:

(1) gemeint ist Österreich-Ungarn

14.09.1916

Seite 1:

E.[ingang] 20.IX 14. Sept.[ember] 1916

Liebe Eltern!

Und wieder bin ich dieselbe lange
Strecke gefahren. Wieder bin ich auf-
gewacht auf dem Wiener Ostbahn-
hof. Von dort ging es donauabwärts
über Bruck(1) nach Raab(2) und von da
nach Komorn(3). Das Land ist topfeben.
Nur in Komorn habe ich ein klein
wenig mehr gesehen, als was man
von der Bahn aus sieht. Dort wu-
den wir verpflegt. Bei Komorn ist
die Donau breit[,] klar und großartig.
Sie fließt scharf dahin. Eine schön ge-
schwungene Eisenbahnbrücke überspannt

----
Anmerkungen:

(1) Bruck an der Mur: Stadt in Österreich in der Steiermark, die auf dem Weg nach Rumänien liegt
(2) Stadt in Österreich an der Grenze zu Ungarn
(3) Stadt, die an der nördlichen Grenze Ungarns liegt, unweit von Wien

Seite 2:

den Strom. Eine halbe Stunde lang saß ich dort am Donauufer und schickte
Grüße stromauf.

Weiter und weiter durchs ungarische Tiefland zwischen
ungeheuren Maisfeldern und Ackern, auf denen der Dampfpflug ar-
beitete[,] hin fuhr ich nach Budapest(1) und Arad(2). Arad hatte ich Zeit ein wenig
anzusehen. Arad erinnerte mich an Weiskirchen ungeheuer breite Straßen
schlecht gepflastert zeigen, daß die Stadt aus einem Dorf entstanden und daß
hier der Boden nicht viel wert ist, weil es viel davon gibt. Nirgends
in (a)Europa(a) ist einfacher Eisenbahnen bauen als in der Pussta.(3) Gerad-
lienig ohne kostspieligen Unterbau, mit seltenen Brücken und seltenen
Stationen strecken sich die Stränge durchs Land. Arad hat ein hübsches
Kossuth Denkmal(4)[,] ein paar Regierungsgebäude [,] zwei Kaffeehäuser und dann fängt Arad, das Dorf an, das sich um den städtischen Kern herumlagert.
Von Arad aus gehts ins Gebirge nach Siebenbürgen hinein. Schon immer wollte ich dies Land einmal sehen und nun liege ich hier in einem

-------
Anmerkungen:

(a) hierunter steht durchgestrichen: der Welt


(1) Hauptstadt von Ungarn
(2) Stadt im österr.-ung. Komitat Arad (heute rum. Grenzstadt)
(3) Puszta - Steppengebiet in Ungarn
(4) Lajos Kossuth (1802-1894) war Rechtsanwalt, Politiker und in den Jahren 1848/49 einer der Anführer der Ungarischen Unabhängigkeitserhebung gegen Österreich. Die Statue wurde 1909 feierlich enthüllt und wurde zum Pendant des Freiheitsdenkmals.

Seite 3:

freundlichen Sachsendorf das so sauber
ist wie irgend ein deutsches und die
Leute sagen Guten Morgen und
guten Abend und wenn nicht eini-
ges Fremdartige wäre, so könnte
ich glauben ich wäre im Manöver
in einem Schwarzwalddorf. Die
männliche Bevölkerung trägt un-
garische Bauernkleidung, leinene
weiße Hosen, leinener an den
Rändern bunt eingefaßter Rock.
Die einfachen Bauernfrauen zumeist
barfuß und ebenfalls in weißem
Leinen.

Später werde ich mehr er-
zählen. Jetzt nur noch das, daß ich
gesund und munter bin wie
immer. Herzlichst Euer August.

19.09.1916

Seite 1:

E.[ingang] 2.X Im Felde 19.9.16

Liebe Eltern!

Immer noch liegen wir in
Ruhe am Orte, den ich dir ange-
deutet habe. Ich hoffe, daß die Post-
verbindung nächstdem in Gang
kommt.

Zunächst einen kleinen
Wunschzettel. An Lesefutter bitte
ich mir so nach und nach Folgendes
zu senden:

Aus Reclams Universalbibl.[iothek]

4406-10 (Gerstäcker)(1), 561-565; 3016
-3020 (Jokai)(2), 1026 (Laube)(3),
1765/66 (Bemsteinhexe)(4) 3369/70

---
Anmerkungen:

(1) Friedrich Gerstäcker, Die Flußpiraten des Missisippi (Roman).
(2) Jókai, Mór, Ein ungarischer Nabob (Roman).
(3) Heinrich Laube, Der Hauptmann von der Schaarwache (Lustspiel).
(4) Maria Schweidler, Die Bemsteinhexe, hrsg. von Wilhelm Meinhold, Leipzig, Ph. Reclam; Univ.-Bibl. No. 1765-66.

Seite 2:

(Nadler)(1), 120, 4054, 330, 49(Raimund)(2)
2595, 1725, 1046 (Zschokke)(3)

aus Hesse´s Volksbücherei
bei Hesse u.[nd] Becker, Leipzig:
Johannes Scherr, Menschliche Tragi-
komödie (kart.[oniert] je 80 Pf[enni]g)(4)
Twain Marc, die Million Pfund-
note(5) u.a.

Ferner bitte ich um gelegent-
liche Sendung von Zigaretten. Die
restlichen von Filos waren recht gut.

Hier ist das Land wo Milch u.[nd]
Honig (a)fleußt(a). Rinder, Schweine,
Gänse[,] Enten und Obst gibt es in
reicher Fülle. Die Felder stehen
gut. Heu ist reichlich da. Nur Korn

---
Anmerkungen:

(a) gemeint ist "fließt"

(1) Karl Gottfried Nadler, Fröhlich Palz, Gott erhalts´. Gedichte in Pfälzer Mundart.
(2) Ferdinand Raimund, der Verschwender.
(3) Heinrich Zschokke.
(4) Johannes Scherr, Menschliche Tragikomödie. Gesammelte Studien, Skizzen und Bilder.
(5) Marc Twain, Die Million-Pfundnote und andere humoristische Erzählungen.

Seite 3:

ist etwas weniger vorhanden.
Hafer wenig, Brotfrucht genü-
gend. Mais ist nicht gut gera-
ten.

Alles in Allem ein schönes
und reiches Land, in dem auch
heute noch keine Hungeleide-
rei herrscht und von dem ich
begreife, daß es anderen in die
Augen sticht.

Wir arbeiten jetzt daran,
die Truppen wieder herzustellen[,]
Pferde werden neu eingestellt,
die alten Pferde wieder ordentlich
geputzt, Fahrzeuge in Stand gesetzt,
exerziert, um die Leute wieder

Seite 4:

in die Hand zu bekommen.

Es gibt also auch in der Ruhe
Arbeit genug. Mir geht es aber
gesund und wohl. Die Strapazen
von Verdun sind hinter uns und
gut überstanden und nun geht
es frisch und fröhlich in die Berge
einem neuen Schicksal entgegen.

Ich muß wieder feststellen,
daß ich froh sein kann zum Alpen-
korps gekommen zu sein. Man
sieht etwas von der Welt und
das erleichtert die lange Kriegs-
zeit auszuharren.

Herzliche Grüße Euer

August.

22.09.1916

Seite 1:

E[ingang] 2.X [19]16

22.9.[19]16

Liebe Eltern[!]

Ich bin gesund wie immer.
Meinen Urlaub werde
ich jetzt in den Rauch-
fang schreiben müssen.
Einliegend einige Filme[.]
Die Trachtenaufnahme
in meinem Dorf ist
hübsch geworden.

Es ist eine Freude diese
strammen Deutschen zu
sehen. Nüchterne charakter-
feste Bauern. Man muß
Respekt haben vor ihnen.

Noch ein Bildchen aus
Frankreich[,] mein Abtei-
lungkommandeur hat




Seite 2:

es aufgenommen.
Das Füllen(1) ist längst
abgegeben und auf
einer Fohlenweide
als Nachwuchs für den
Frieden.

Herzlichste Grüße

Euer

August.

---
Anmerkung:

(1) Füllen = junges Pferd/Fohlen

30.09.1916

Seite 1:

I E.[ingang] 9.X Im Felde 30.IX.1916

Liebe Eltern!

Ich befinde mich wohl und ge-
sund und in so angenehmer Lage wie
nur je im Krieg.

Wir haben die Rumänen ge-
jagt bis über den Rothenturmpaß(1)
vermutlich. Ich verrate jetzt kein Geheim-
nis mehr, wenn ich jetzt Genaueres
schreibe. Die Ruhetage, die der Auffrischung
und Ergänzung an Material und Pfer-
den dienten, waren bald vorbei und
dann begann der Vormarsch. In der Nähe
von Hermannstadt(2) trafen wir den
R.[umänen.] Die Stellungen, die er inne hatte,
waren kaum ausgebaut. Unserem
Artilleriefeuer und dem wackeren
Angriff ungarischer Honved(3) hielt er nicht

---
Anmerkungen:

(1) zentraler Durchbruch durch die südlichen Karpaten
(2) bedeutende Stadt in Siebenbürgen; im südlichen Siebenbürgen, direkt nördlich der Karpaten und nur wenige Kilometer nordöstlich des Rotenturmpasses gelegen
(3) landläufig für die königlich ungarische Landwehr ("Magyar Királyi Honvédség") als Teil der österreichisch-ungarischen Streitkräfte

Seite 2:

stand. Am selben Tag, an dem wir die ersten Schüsse feuerten, war der
Feind gewichen. Am nächsten Tag (dem 27/9) einige kleine Nachhut-
kämpfe und dann am 28/9 ging es vorwärts[.] Dreimal mußten wir
unverrichteter Dinge auffahren. Die Rumänen waren außer Schuß-
weite. Daß 4. mal endlich erwischten wir sie. Sie waren zwischen Heltau(1)
und Czod(2) zum Gegenangriff vorgegangen und gerieten in das
Feuer unserer Haubitzen. Mitten in die Schwärme aufgelöster Schützen-
linien schlugen unsere Geschosse. Und wieder liefen sie. Sie liefen
so rasch, daß wir sie wiederum bald aus dem Bereich der Geschütze
verloren. Vorwärts ging es wieder. Der 29.[9.] fand uns auf dem
Marsch nach dem Rothenturmpaß. Nun aber strömten dahin von
allen Seiten unsere Truppen. Deutsche und Ungarn zusammen. Nun
heißt es warten, bis die enge Paßstraße langsam alles durchläßt.
Ich liege mit der Batterie heute in Heltau in Ruhe.

Diese siebenbürgischen Örtchen sind prächtig, sauber,
wohlhabend und so heimatlich. Ich könnte meinen, daheim in

---
Anmerkungen:

(1) Stadt wenige Kilometer südlich von Hermannstadt
(2) Stadt in Siebenbürgen, im Kreis Hermannstadt (auch: Michelsberg, rumänisch: Cisnadioara, ungarisch: Kisdizned, Kisdiznód)

Seite 3:

Schwarzwalds Höhen zu sein.
Sogar das Schweizer Vieh, wie
auf der [...] ist hier. Mächtige Mau-
ern um die Kirche in jedem Dorf
zeugen von vergangener Zeiten
Not. Die Kirche ist überall und
augenscheinlich der Mittelpunkt
des Dorflebens. Alle Kirchen sind
in mittelalterlicher Weise zur Burg
ausgebaut. Verteidigungstürme
umgeben das Schiff und den Chor.
Getreidespeicher mit wohlgefüllten
Fruchtschreinen sind an (a)die(a) Mauer
unter dem Wehrgang gebaut. Der
Kirchendiener und Pförtner wohnt
über dem wohlbefestigten Toreingang[.]
Das Pfarrhaus ist massig und schwer

---
Anmerkung:

(a) überschrieben "den"

Seite 4:

II

an die Umfassungsmauer ange-
baut. Mit den Gewölben und Tor-
einfahrten erinnert mich der Pfarr-
hof von Heltau an das großväterliche
Haus in Überlingen(1). Pfarrherr in
Siebenbürgen möchte ich sein. Man
merkt an allem. Er, der Pfarrer
ist das Haupt der sächsischen Bevölke-
rung und sitzt auf einem Pfarr-
hof wie der Herr in seinem Schloß.

Und die Sachsen selber, stramme
Bauerngestalten und prächtige
Mädchen und Frauen. Bauerntracht
namentlich am Sonntag: Schwarze
Jacken mit Metallknöpfen. Die
Frauen gestickte Mieder, wie daheim.

Das Land aber ist reich und

---
Anmerkung:

(1) Stadt am nördlichen Bodenseeufer.

Seite 5:

schön. Da wächst die Rebe und der Pfirsich, der Nußbaum und die Apri-
kose, köstliche Äpfel und Zwetschgen habe ich gegessen. Weithin reiche
Maisfelder, Weizen und Hafer ebenfalls. Eichenwälder auf
den Höhen mit Baumriesen(1) wie im Tierpark am Warten-
berg(2). Schweine, Federvieh in Fülle und das prächtige Schwein. Schweizer Vieh in großen Herden auch jetzt noch. Daneben den
ungarischen Büffel, schwarz mit zurückgebogenen Hörnern, der
kein gutes Fleisch, aber eine desto bessere Milch gibt, eine Milch,
wie man sie bei uns sich gar nicht denken kann.

Fast alle Dörfer haben neben der sächsichen(!) Bevölke-
rung einen rumänischen Volksteil mit eigener griech.[isch] orien-
talischer Kirche und eigenem Popen(3). Doch unverkennbar ist der
Sachse der Herr. So mag es kommen, dass in Siebenbürgen der
Deutsche, wo er als Herrenvolk auftrat seine Volksart so zäh
bewahrt hat. Der Walache, wie der Rumäne allgemein
genannt wird, besorgt die Feldarbeit auf den Feldern des Deutschen

---
Anmerkungen:

(1) Baumriesen sind große und alte Bäume.
(2) Der Wartenberg in der Nähe der Stadt Calbe (Saale) ist mit seinen 121 Meter die höchste natürliche Erhebung in der südlichen Magdeburger Börde. Das Tiergehege existiert heute noch.
(3) orthodoxer Priester

Seite 6:

Besitzers gegen Naturallohn.
2 Teile dem Herren[,] 1 Teil
erhält der walachische Knecht.
Eine Wirtschaftsverfassung, wie
sie so oft vorkommt.

So ist das Land und das
Volk. Industrie ist wenig vor-
handen. Eine große Papierfa-
brik fand ich und eine Spinne-
rei. Im übrigen stellt hier das
Mädchen und die Hausfrau Tücher
und Linnen(1) am eigenen Web-
stuhl her.

Herzlichste Grüße. Bald
geht es weiter zum fröhlichen
Jagen.

Euer
August.

---
Anmerkung:

(1) Ein Stoff, der aus einer Naturfaser aus der Flachspflanze hergestellt wird und beispielsweise als Leinwand benutzt wird.

06.10.1916

Seite 1:

E.[ingang] 15.X.
Im Felde 6.10.[19]16

Liebe Eltern!

Das ist ein schöner fröh-
licher Krieg. Die R.[umänen]
laufen, was sie
können. Schön und
lebhaft geht es vor-
wärts. Heute habe
ich den R.[umänen] eine

Seite 2:

leichte Feldhaubitze kaput geschossen.
Ich habe sie nachher liegen gesehen. Es
wird nicht mehr lange dauern, da
sind wir in der zweiten großen
Stadt im Süden unseres Kriegs-
schauplatzes. Hoffentlich bekommt
Ihr meine Post immer noch
ab und zu. Ich habe schon 14 Tage lang

Seite 3:

nichts mehr be-
kommen. Es geht
mir aber recht
gut. Pferde und
Menschen haben
reichlich Futter.

Herzlichst

August.

10.10.1916

Seite 1:

I E.[ingang] 19.X Im Felde 10.10.[19]16

Liebe Eltern!

Ich benutze eine Gelegenheit mei-
ne Post unmittelbar nach Deutschland
zu schicken.

Nach den Gefechten bei Hermann-
stadt(1), die einen so erfreulichen Erfolg
hatten, ging´s gegen Kronstadt(2). Aus
dem Tal des Zibin(3) in das der Alt.

Das reiche Wein- und Obstland der
deutschen Siedelungen um H.[ermannstadt] lag
hinter uns und vor uns das von Ru-
mänen bewohnte Fagaraser Becken(4)[.]
Beim Vormarsch hatten wir zur Rechten
die unvermittelt aus der Ebene
bis zu 2400 m ansteigenden Berge
(a)der(a) Fagaras Gebirges. Die Rumä-

---
Anmerkungen:

(a) gemeint ist "des"

(1) rum. Sibiu; bedeutende Stadt in Siebenbürgen; im südlichen Siebenbürgen, direkt nördlich der Karpaten
(2) Brașov (Kronstadt) war mit Hermannstadt das kulturelle, geistige und wirtschaftliche Zentrum der Siebenbürger Sachsen.
(3) Cibin, rechter Nebenfluss der Alt (Olt)
(4) Das Făgăraş-Gebirge liegt in der Gebirgsgruppe der Südkarpaten.

Seite 2:

nen leisteten nur schwächlichen Widerstand. Da wir mit Artillerie
aller Kaliber weit überlegen waren, schossen wir die rum.[änischen] Nachhuten
aus jeder Stellung bald heraus. Unsere Infanterie hatte nur wenig
Verluste. Doch soll das nicht überall so gewesen sein. Die rum.[änische] Infan-
terie soll glänzende Gegenstöße gemacht haben. Ich selbst habe sehr brave
Angriffe gesehen, die aber, soweit das uns möglich war, von der Artillerie
zum Scheitern gebracht wurden. Bei Todoriza war ein sehr nettes Ge-
fecht und dann namentlich bei Persanyi(1). Dort hatten die R.[umänen] eine starke
natürliche und durch Menschenhand befestigte Stellung. Wir mußten
über eine völlige Ebene angreifen. Wiederum begannen unse-
re Batterien zu spielen und nach zweistündigem Schießen verließ der
Feind seine Stellung, die unserer Infanterie, wenn sie hätte gestürmt
werden müssen, blutige schwere Verluste gekostet hätte. Ich hatte das
Glück den Rumänen eine Haubitze kaput zu schießen, die wir dann
erbeuteten.

Bei Persany beginnt der Gebirgszug des Geisterwaldes(2)
der das Fogaraser (a) Becken vom Burzenland(3) trennt.

---
Anmerkungen:

(a) durchgestrichen "Gebir"

(1) Persany: Ort in Siebenbürgen nordwestlich von Kronstadt
(2) kleines Gebirge westlich von Kronstadt; rum.: Persani-Gebirge
(3) historische Region in Siebenbürgen, deren Zentraum Kronstadt ist, rum.: Tara Basei

Seite 3:

Durch den Geisterwald ging es in
einem Rutsch hindurch. Bei [...]
beginnt die Ebene des Burzenlandes.

Das Burzenland ist im 13. J[a]h[rhunder]t.
vom Deutschritterorden besiedelt
worden und heute noch sind 13 blü-
hende deutsche Gemeinden um
Kronstadt gelagert. Das Burzen-
land ist nach Norden offen
und nach Süden durch das Massiv
des Königsteins(1) abgeschlossen, mit-
hin kälteres Klima. Kein Wein,
wenig Obst. Charakteristisch sind
weite Zuckerrübenfelder. Eine
riesige Zuckerfabrik steht bei Heldes-
dorf(2).

Heldesdorf war auch der erste
deutsche Ort, in den wir, eine deutsche

----
Anmerkungen:

(1) Höhenzug in der Nähe von Kronstadt, rum.: Muntii Piatra Craiului
(2) Gemeinde in der Nähe von Kronstadt, rum.: Halchiu

Seite 4:

II

Division einzogen. Lebhaft grüß-
ten die Sachsen[.] Blaurot, die säch-
sischen Nationalfarben, flatterten
die Fahnen. Deutsche Laute, deutsche
Sauberkeit, deutsche Wohlhabenheit
kündeten, daß wir fern der Hei-
mat wieder bei Stammesge-
nossen waren. Den deutschen
Sachsen in Siebenbürgen hat das Er-
scheinen deutscher Truppen wieder
den Rücken gestärkt und die Zu-
gehörigkeit zu deutscher Art und
Macht augenfällig gemacht. Von
neuem beginnt der Deutsche sich
nach Osten zu schieben. Wahrlich unser
Erscheinen im Burzenland seit

Seite 5:

600 Jahren zum ersten mal wieder das deutscher Soldaten ist
ein historischer Augenblick. Am 8.10., einem Sonntag, hatte der
Rumäne von Norden her Verstärkung erhalten, er stellte sich zum
Kampf. Kronstadt war noch in seiner Hand. (a)Stankt(a) Peter(1), auch
ein deutsches Dorf war der Mittelpunkt seiner Linien[.] Der Paß-
eingang nach Tömös(2) und Predeal(3) war von ihm gehalten. Hei,
das war ein stolzes Schießen[.] Eine Batterie im Fahren wurde
so von unseren Batterieen[!] erfaßt, daß nicht ein Fahrzeug
davon entkam. Auch ich kann mich rühmen mitgeholfen zu
haben die Rumänen ihrer Artillerie zu entledigen. Südl.[ich]
Petersberg griff die rumänische Infanterie immer wieder in
dichten Massen an und immer wieder schlugen die schweren
Geschosse unserer weittragenden Geschütze mitten unter die vor-
gehenden Rumänen und wieder und wieder fluteten
die Bataillone unter vergeblichen blutigen Opfern zurück, der
Tag war unser. Gegen Abend zogen die Unsern ein in Kronstadt[.]

---
Anmerkungen:

(a) gemeint "Sankt"

(1) Stadt in Siebenbürgen - auch Sanpetru (rum.) oder Petersberg (dtsch.) ca 5 km nördlich von Kronstadt
(2) Stadt in Siebenbürgen
(3) Höchstgelegene Stadt Rumäniens (1093 Meter) in den Karpaten. Der an ihr gelegene Pass stellt die wichtigste Verbindung zwischen Siebenbürgen und der Walachei dar. Nördlich der Stadt verlief die Grenze zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien.

Seite 6:

Am andern Morgen auch
meine Batterie.

Man muß zugeben. Die
Rumänen haben im Allge-
meinen nicht viel verdorben[.]
Sie haben natürlich viel Vieh
und bewegliches Gut mitge-
führt[,] aber sinnloses Rauben
und Zerstören habe ich nicht ge-
sehen.

3 Batt.[erien] haben sie stehen
lassen müssen. 3 Batterieen[!]
haben wir ihnen zusammen-
geschossen. Auch die sonstige Beute
war reich. Einstweilen die
herzlichsten Grüße Euer August.

10.10.1916

Seite 1:

[Feldpost an]

Präsident Dänzer
Freiburg (a)i/B.(a)
Dreikönigstr. 17 II

-----
Anmerkung:

(a) im Breisgau

Seite 2:

E.[ingang] 19.X. Im Felde, 10.10.[19]16

Liebe Eltern!

Einige arbeitsreiche Tage
sind hinter uns. Gestern
war ich in Kronstadt(1).
Die R.[umänen] sind geschlagen
und zwar kräftig. Ich
habe wieder [...]
mit anderen schweren Batt.[erien]
2 Batterien der R.[umänen] zu-
sammenzuschießen. Nach-
her bin ich hingeritten
und habe mir die im

-----
Anmerkung:

(1) Stadt im südlichen Siebenbürgen - auch Brasov (rum.) oder Brassó (ung.)

Seite 3:

Aufprotzen beschossene Batterie (a)
angesehen. Schrecklich, alles kurz und klein.
10 Geschütze sind dabei stehen geblieben von
verschiedenen Batterien, da die Bedienung
beim Beginn der Beschießung weglief. Wir
haben dann mit unseren und den un-
verwundeten rumänischen Pferden
die Geschütze weggeholt. In der Nähe ha-
ben die Rumänen noch weitere 3 Bat-
terien stehen lassen. Beute war auch
in Kronstadt(1) noch zu finden. Alles in allem
der Sieg ist beinahe so schön wie bei

-----
Anmerkungen:

(a) gestrichen "abgeschossene"

(1) Stadt im südl. Siebenbürgen - auch Brasov (rum.) oder Brassó (ung.).

18.10.1916

Seite 1:

E.[ingang] 29 X Im Felde 18.10.[19]16

Liebe Eltern!

Gestern habe ich wieder ein-
mal Post von (a)Hause(a) erhalten.
Die erste nach langen Wochen.
Vom 10/10 kam eine Karte
und zwei Päckchen mit Reklam-
bändchen und Zigaretten.
Meinen herzlichsten Dank. Die
Verbindung wäre also hergestellt.

Ich bin wohl und gesund
Seid gestern ist der Winter

---
Anmerkung:

(a) gemeint ist: "zuhause".

Seite 2:

in unseren Bergen eingezogen. Aber wir haben uns
vorgesehen. Durch die Berge geht es langsamer wie
in Siebenbürgens Ebenen. Dafür sind aber die
transsylvanischen Alpen(1) auch wunderschön, Hoch-
gebirg mit Mittelgebirg vereinend.

Kürzlich habe ich Prinz Frit[z] zu Fürstenb[er]g.(2)
getroffen. Er liegt mit seiner Batterie ganz
in meiner Nähe. Wir haben von [...]
geplaudert. Zopf habe ich schon vor 14 Tagen
gesehen. Er ist aber nicht mehr da; er hat ein
Bataillon bekommen[,] im Westen glaube ich.

---
Anmerkungen:

(1) Transsylvanische Alpen: Zwischen Siebenbürgen und der Walachei gelegener Teil der Karpaten, auch Südkarpaten genannt.
(2) Vermutlich ein alter Bekannter August Dänzers. Der Vater August Dänzers war Fürstlich-fürstenbergischer Domänenrat. Siehe auch Brief vom 8.11.1916 (S.11) und Tagebucheintrag vom 13.10.1916.

Seite 3:

Neues aus der Heimat
wußten beide nicht.

Wie es im großen gan-
zen steht, wißt Ihr besser
als ich, da ich nur ver-
altete Zeitungen bekom-
me. Einen dritten Kriegs-
winter wird es wohl noch
geben. Immer feste
druff.

Herzlichst Euer August

20.10.1916

Seite 1:

E.[ingang] 29.X. 20.10.[19]16

Liebe Eltern!

Anbei eine Photo-
graphie, die die meisten
Offiziere der Abteilung
zeigt, wir sind auf
der Beobachtung. Vor
mir steht das schwere
Fernrohr. Die Linien
sind verzeichnet,

Seite 2:

weil ich dem
Apparat zu nahe
sitze. Ferner lege
ich ein Exemplar
unserer Armee-
zeitung bei, die
ich aufzubewahren
bitte. Bin gesund
und wohl. Herzlichst Euer August.

22.10.1916

Seite 1:

E.[ingang] 30.X Im Felde 22.10.[19]16

Liebe Eltern!

Mitten zwischen dem Schießen
meiner Batterie schreibe ich diesen
Brief. Wir drücken langsam
unsere Linien vor auf die Höhe
des südkarpatischen Grenzkammes.

Die Bildchen, die ich Euch zurückschicke,
beweisen, daß ich den Brief vom 6/10
erhalten habe. Ferner habe ich
2 Kuchen, Films[,] 3 (a)Düten(a) Prali-
nen und die süddeutschen M.[onatshefte](1)
bekommen. Vielen, vielen Dank
dafür. Die Bildchen führen aus

---
Anmerkungen:

(a) mundartlich für "Tüten"

(1) Die Süddeutschen Monatshefte waren eine von 1904 bis 1936 in München erscheinende Kulturzeitschrift.

Seite 2:

Frankreich nach Siebenbürgen. Romagne(1) mit seiner prächtigen
Dorflinde und seiner eigenartigen Kirche ist ein Dörfchen dicht hinter der
Verdunfront östl.[ich] der Maas. Da hätte ich wohl mal im Frieden hinkommen
mögen, ein prächtig gelegenes Nestchen. Jetzt liegen nur noch Sol-
daten dort.

Bei Piski(2) am Bahnhof habe ich ein paar rum.[änische] Bauernwei-
ber aufgenommen, die Obst verkauften. Die beiden Trachtenbilder
von Peterdorf(3) sind nett geworden. Man sieht die Sächsinnen mit ihren
Zylindern ohne Rand und den langen Bändern hinten herunter.
Die verheirateten Frauen tragen das weiße Kopftuch. Zwischendurch
gehen unsere Kanoniere. Die Bilder des Kirchenkastells sind flau ge-
worden. Wie überall in den Sachsendörfern steht auch in Peterdorf eine
Verteidigungskirche[,] nur daß es jetzt eine Ruine ist und die jetzige Kir-
che ein echt protestantischer schmuckloser Bau. Nur die Gräber legen die
Sachsen noch in die halbzerfallene einfache Ringburg(4) und dane-

---
Anmerkungen:

(1) Romagne-sous-les-Côtes: Gemeinde in Frankreich, Region Lothringen, Departement Maas
(2) Piski, ungarisch Semeria, deutsch Fischerdorf, ist eine Stadt, die 110 km östlich von Arad und rund 400 km nordwestlich von Bukarest liegt.
(3) Petersdorf (dtsch.)/ Petreşti (rum.)/ Peterfalva (ung.)/ Piterschdref (siebenbürgisch-sächsisch), ist ein Dorf im Kreis Weißenburg (Alba) im Südwesten Siebenbürgens; gehört verwaltungstechnisch zur 4 km südlich entfernten Stadt Mühlbach.
(4) Kirchenburg in Siebenbürgen, aus einer Turmburg weiterentwickelte Bauform einer mittelalterlichen Burg

Seite 3:

ben pflanzen sie Trauerweiden, für
die die Sachsen einige Vorliebe zu
haben scheinen.

Mir geht es, wie, unberufen,
immer gut. Post kommt jetzt
auch ziemlich regelmäßig an.

Herzlichste Grüße

August.

27.10.1916

Seite 1:

Feldpostbrief

Präsident Dänzer
Dreikönigstr. 17 II
Freiburg (a)i/B.(a)

[Fortsetzung oben seitenverkehrt]

Absender Ob[er]l[eutnan]t. Dänzer
4. Batt.[erie] II Abteil[u]ng. (b)F.A.R. 204(b).
Alpenkorps.

---
Anmerkungen:

(a) im Breisgau
(B) Feldartillerieregiment Nr. 204.

Seite 2:

E.[ingang] 4 XI [19]16

27.10.[19]16

Liebe Eltern"

Den Brief vom 17.10. habe ich
erhalten, inzwischen werdet Ihr die
Bestätigung bekommen haben, daß
ich die an mich gesandten Päckchen
erhalten habe. Vielen herzlichen
Dank dafür. Bei Kronstadt(1) war
ich dabei. Was der Kr.[iegs] Berichterst.[atter]
A. Köster(2) in der (Fr[an]kf.[urter] Z[ei]t[un]g. erzählt, habe
ich alles miterlebt und werde es
noch miterleben[,] denn er ist regelm.[äßig]
in unserer Nähe. Nun noch eine
Bitte. Wiederum eine oder gleich
zwei Brillen, rund Nickelfassung.
Meine anderen sind futsch. Ferner
einige elektrische Taschenlampenbatt[erien]

[Fortsetzung oben seitenverkehrt]

rein gewöhnlicher
Sorte.

Inzwischen herzliche Grüße.

Mir geht es gut

August

---
Anmerkungen:


(1) Schlacht um Kronstadt am 7. und 8. Oktober 1916
(2) Adolf Köster (1883-1930), deutscher Politiker (SPD) und Diplomat. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges wegen eines Herzfehlers nicht zum Kriegsdienst eingezogen, ließ sich Köster als Kriegsberichterstatter verpflichten. Bis Kriegsende berichtete er so in Hunderten von Artikeln nicht nur für die sozialdemokratische, sondern auch zunehmend für die bürgerliche Presse von nahezu allen Kriegsschauplätzen.

31.10.1916

Seite 1:

E.[ingang] 10.XI [19]16 31. Okt. 1916

Liebe Eltern!

Wie immer befinde ich mich
wohl und munter – Gott sei’s
gedankt. Die Post arbeitet jetzt
ziemlich regelmäßig. Die Verhält-
nisse sind hier ziemlich stationär
geworden. Wir müssen die Ru-
mänen von jeder Bergkuppe ver-
jagen.
Ich schicke Euch hiemit noch zwei
Bilder aus Frankreich (Singly)(1), Zeiten
die hinter mir liegen.
Ich will nun im Zusammen-

---
Anmerkung:

(1) Singly: Ort in den Ardennen

Seite 2:

hang erzählen.

Nach der Besetzung von Kronstadt(1) mussten die Rumä-
nen über die Pässe geworfen werden, eine sehr schwierige Arbeit,
da die R.[umänen] überall über vorbereitete, seit langem vorbereitete
Stellungen verfügten. Den ersten Widerstand leistete der Feind
auf den beherrschenden Höhen vor Predeal(2) insbesondere dem
Czaplyat (1.059). Er hielt sich nicht lange. Man hat hier den
Krieg zu einem technischen Kunststück gemacht, gewissermassen
industrialisiert. Artillerie beschießt die fdl. Stellungen, tun’s
3 Batterien nicht, so tun es 6 oder 12! Reicht leichtes Ka-
liber nicht aus[,] so nimmt man 21 cm Mörser (unser bad.[isches]
Fußa.[rtillerie] Reg[iment] 14) oder 30,5 cm Motormörser. Nach Materi-
al und Munition haben wir nicht zu fragen, offenbar[,]
und so schonen wir das kostbarste, was wir haben, die
Menschen. Der Sturm auf den Czaplyat ging beinahe
ohne jeden Verlust für die Infanterie ab. Diese spazier-

---
Anmerkungen:

(1) Stadt in Siebenbürgen
(2) Predeal liegt direkt auf der Passhöhe in 1.093 Meter beim Überschreiten der Karpaten.

Seite 3:

te geschützt durch ein überwäl-
tigendes Art.feuer, dem die
R.[umänen] nichts, nein nichts entge-
genzusetzen haben, den sehr
steilen Weg hinauf. Die R.[umänen]
erschüttert durch das Feuer aller
Kaliber, ergaben sich, soweit
sie nicht tot in den verschütte-
ten Gräben lagen. Die R.[umänen] sind
zu bewundern daß sie über-
haupt stand halten.

Nunmehr hielt der R.[umäne]
den Ort Predeal. Der liegt
im Paß drin, etwa wie

Seite 4:

II
St. Blasien. Ganz Pr.[edeal] besteht
aus hübschen Villen der reichen
Bukarester.

Predeal wurde hartnäckig
gehalten. Ein kleines Erdenstück
vor dem Nordrand Pr. wur-
de tapfer verteidigt. Also wie-
derum Artillerie. Der Czaply-
at wurde am 13/10 genom-
men. Am 25/10 war der
Angriff auf Pr.[edeal] angesetzt. Alle
Kaliber spielten, nachdem Pr.[edeal]
schon Tage lang zuvor unter

Seite 5:

Feuer gelegen hatte. Ich beschoss mit meiner Batterie ei-
nen Graben von 60 m Länge mit 300 Schuß. Die letzte
Viertelstunde vor Sturmbeginn hagelte es kleine und
grosse Geschosse auf den unglücklichen Ort. Die Rum.[änen]
begannen zu wanken. Sie verliessen einzeln
die Gräben. Die letzten 5 Minuten war Pr.[edeal] in
Rauch gehüllt. Schlag 10 Uhr hörte das Feuer auf dem
Nordrand auf und wurde gegen den Südrand ver-
legt. Die Infanteriesturmwellen gingen vor. Kein
Gewehrschuss fiel. Predeal war 5 Minuten später ohne
Verluste erobert.

Am andern Morgen früh besah ich mir
Predeal. Die Zerstörung ist arg. Kein einziges Haus

Seite 6:

ist mehr ganz, die meisten
völlig zertrümmert.
Mein Graben war ein-
geebnet und voll Toter.
Es war begreiflich, daß darin
kein Schuss gefallen war
auf die stürmende Infante-
rie.

Am 2. Tag nach der
Erstürmung gingen wir
einige km weiter vor.
Höhe für Höhe alle in Feld[...]
[...]hebung wird genom-
men. Azuga(1) ist unser



---
Anmerkung:

(1) Die rumänische Stadt Azuga liegt an der Passstraße zwischen Kronstadt und Bukarest im oberen Tal des Flusses Prahova.

Seite 7:

III

Sinaia(1) winkt. Ironie des
Krieges! Die Villa Bratianu’s(2)
in Predeal, hochgelegen wie
sie war, diente als Beobach-
tungsstelle zur Beschiessung
der abziehenden Rumänen.
Gestern ist von Kronstadt her
der erste Zug in Predeal einge-
laufen, langsam geht es
vorwärts. Wenn wir die
Ebene erreicht haben, dann
werden wohl wenige
kräftige Schläge genügen


---
Anmerkungen:

(1) In diesem rumänischen Ort befand sich die Sommerresidenz der rumänischen Könige Schloss Peleş.
(2) Rumänischer Ministerpräsident, der den Kriegseintritt Rumäniens auf Seiten der Mittelmächte vorangetrieben hatte.

Seite 8:

Rumäniens Armee zu zertrümmern.

So steht es. Persönlich geht es mir gut. Verluste haben
wir seit Wochen nicht zu beklagen. Die Pferde haben sich
bei reichlichem Futter erholt und der Räudeseuche, die
wir aus Serbien mitgebracht hatten[,] sind wir Herr ge-
worden.

Ich habe jetzt neue Offiziere. Einen jüngeren,
L[eu]t.[nant] Harms und einen alten Bekannten, L[eu]t.[nant] Kohl, der
in Serbien bei meiner früheren Batterie war, bei Ver-
dun verwundet wurde und nun wieder zum Regi-
ment zurückgekehrt ist.

Nun herzlichste Grüße Euer
dankbarer
August

02.11.1916

Seite 1:

E.[ingang] 11.XI 2. Nov. 1916

Liebe Eltern!

Immer noch am selben
Ort; ich klettere in den
Karpathen(1) herum. Das ist
die reine Schwarzwald-
frische. Bin gesund und
munter. Die Bitte um
2 Nickelbrillen, rund, ge-
wöhnliches Rezept, habt
Ihr wohl erhalten.

Herzlichst August

---
Anmerkungen:
(1)Hochgebirge in Mittel-, Ost- und Südosteuropa.

08.11.1916

Seite 1:

1 E.[ingang] 16.XI. Im Felde 8. Nov. 1916

Liebe Eltern!

Ich schicke die Photographien, die
mir große Freude gemacht haben,
mit Bezeichnung zurück. Die Bilder
selber sind fürs Album bestimmt.
Auf den Bildern ist vermerkt
X x" wie viele A b z ü g e ich davon gefertigt haben möchte. 29 gr., 15 kl.(1)
Der Film von dem Grabstein
bitte ich an "D r. S t e i n t h a l ,F e l d g e i s t-
l i c h e r G a r d e E r s[a t z] D i v[i s i o n] S t a b" zu
senden, auf dessen Wunsch die Auf-
nahme gemacht ist.

Zugleich möchte ich noch eine

---
Anmerkung:

(1) darüber geschrieben: 17.XI

Seite 2:

Bitte aussprechen. Ich habe mich durch
einen meiner Batt.[erie] Off.[iziere] L[eutnan]t. Kohl
an dessen Schwester gewandt
wegen Kaufes der neuerlich
erschienenen Vivatbänder(1). Sie
wird sich unmittelbar an Vater
wenden und die Bänder nach
Freiburg schicken. Bezahlung regele
ich (Den Überschuß bekommt das
rote Kreuz).

Nun einige Bemerkungen zu
den Bildern.

Es ist noch eine alte von Verdun(2)
dabei. Unsere Leute mit Gasmaske
u[nd]. Stahlhelm, seltsame Erscheinungen!

---
Anmerkungen:

(1) Vivatbänder waren Sammelobjekte während des Ersten Weltkrieges in Österreich und in Deutschland. Ihre Motive wurden von bekannten Künstlern gestaltet und thematisierten meist größere Schlachten oder Kriegshelden. Die Einnahmen kamen dem Roten Kreuz oder der Kriegsfürsorge zugute.

(2) Stadt im Nordosten Frankreichs.

Seite 3:

St. Georges(1) war für einige Tage
unser Quartier in den Argonnen(2).

Die Bilder aus Petersdorf(3) zeigen
das alte als Ruine daliegende
Kirchenkastell und die jungen
Petersdorferinnen und Buben aus
P[etersdorf] sowie unsere Kanoniere beim
Kirchgang. Die Tracht ist eigenartig.
Ich habe schon einige Trachtenbilder
aus P[etersdorf]. geschickt. Aus Omlas(4) oder
Hamlesch(5) stammen andere Bilder.
Die jungen Mädchen dort haben eine
reizende Tracht, erinnert an die
holländische. Die Burschen sind leider
verwackelt. Das Bild aus mei-
nem Quartier zeigt ein typisches

---
Anmerkungen:

(1) Ort in den Argonnen.
(2) Bergland im Nordosten von Frankreich.
(3) Ort in Siebenbürgen.
(4) Ort in Siebenbürgen.
(5) Ort in Siebenbürgen.

Seite 4:

Haus dieser siebenbürgischen Dörfer.
Es ist der Hof[,] in dem meine Bur-
schen und die Pfarrerstochter stehen.
Der rum. griechisch-orientalische
Pope(1) war sehr freundlich ob wirk-
lich oder nur gemacht kann
ich nicht sagen. Weiter sind Bilder
da aus Predeal(2), einige Villen
und der zerstörte Bahnhof.

Das Bild mit den Gefangenen
Rumänen ist recht interessant.
Es sind Leute aus der Dobrudscha,
merkwürdiges Gemisch, Türken,
Bulgaren, echt Rumänen und
Juden. Einer von der deutschen

---
Anmerkungen:

(1) Bezeichnung für einen Priester der orthodoxen Kirche.
(2) am höchsten gelegene Stadt in Rumänien (1093 Meter Höhe).

Seite 5:

2

Levantelinie(1) erzählte einiges.
Sie haben jedenfalls einen ge-
waltigen Respekt vor den Deut-
schen. Ein Bild zeigt unsere Feuer-
stellung in einem Waldtal südl[ich]
Predeal.

Nun zur Beantwortung
eurer lieben Briefe vom 25/10,
26/10 und 28/10. Dem Vorgehen nach
S. stehen zahlreiche Schwierigkeiten
entgegen. Der Feind hat hier zahl-
reiche von langer Hand vorberei-
tete und sehr starke Stellungen,
Talsperren und Hohenstellungen[!].
Diese letzteren befinden sich alle in

---
Anmerkung:

(1) Schifffahrtsgesellschaft, vor allem für die Länder des östlichen Mittelmeeres.

Seite 6:

Feldberghöhen und müssen einzeln
genommen werden, was Zeit
erfordert. Auch hier wird alles
mit Art.[illerie] gemacht. Ich klettere
von einem Berg zum andern.
Kilometerlange Fernsprechlei-
tungen verbinden mich mit
der Batterie und so suche ich
von oben herab Einblicke in fdl. [feindliche]
Stellungen zu gewinnen und
zu beschießen. D e n S c h w a g e r
S c h w a l b a c h ’s h a b e i c h m i r g e-
m e r k t.

D a s G e l d a n d i e B u r s c h e n-
s c h a f t (a) möchte ich selber bezahlen[,]

---
Anmerkung:

(a) durchgestrichen "hab"

Seite 7:

werde ich machen sobald ich den
Bericht in Händen habe.

Mit B a n d v e r l e i h u n g a n
W a l t e r T h ö m e r bin ich e i n v e r s t a n-
d e n.

B e s o n d e r e W ü n s c h e e r s t r e c k e n
sich n u r a u f S c h o k o l a d e u n d a b u n d
z u e i n i g e Z i g a r e t t e n.

Dein Zerwürfnis mit Sondinger
hat dir glaube ich nicht viel geraubt.
Sond.[inger] ist eben ein eigensinniger
Trotzkopf.

Über den Anlaß dazu möchte
ich Dir sagen, daß (a)Nebel(a), dem ich
ab und an schreibe, mir über den
Fall Rev. und der Kanzlerfronde(1)

---
Anmerkungen:

(a) unsichere Lesart

(1) Bewegung konservativer Politiker und Industrieller, Reichskanzler Bethmann Hollweg zu stürzen, welche schließlich zum Rücktritt des Reichskanzlers am 13. Juli 1917 führte.

Seite 8:

auch geschrieben hat und ich muß
annehmen, daß er dieser Be-
wegung nicht ablehnend gegen-
über steht. Ich habe mir noch kein
Urteil bilden können bei den
widersprechenden Nachrichten der
Presse. Eines ist sicher. Je kräfti-
ger und wuchtiger unsere Schlä-
ge sind, desto schneller ist der
Krieg zu Ende. Ich kann aber
nicht annehmen, daß unser
Kanzler mit Schwächlichkeit
kräftigem Vorgehen abhold
sein sollte.

Die Gerüchte über einen

Seite 9:

III.

Sonderfrieden mit Rußland
wollen nicht verstummen. Viel-
leicht kommt die Sache doch noch
zum Klappen und bezahlt
Rum.[änien] die Zeche, so daß man
Rum.[änien] aufteilt und Rußland
davon in Austausch mit Polen
etwas in den Rachen wirft.
So wäre Rum.[äniens] Kriegserklär[un]g
kein schlechtes Geschäft für uns.
Seltsam ist jedenfalls das Aus-
bleiben der russischen Hilfe.

F i l m p a c k s b r a u c h e i c h n u r
e i n e n g r o ß e n 9 x 12, kleine
habe ich überreichlich.

Seite 10:

M e i n e G l ü c k w ü n s c h e z u r W i e d e r-
h e r s t e l l u n g E d i n g e r ’s.

Vielleicht bekomme ich doch noch
Urlaub, wenn hier die Möglich-
keit abzukommen vorliegt. In-
dessen liegt das ganz im Unge-
wissen.

Karte vom 29/10 habe ich
auch erhalten. Es freut mich, daß
Euch mein Bildchen gefallen hat.
Nur die Füß sind zu lang.

Zopf ist n i c h t zur Infanterie
gekommen. Der nächst höhere
Verband heißt bei der Fußar-
tillerie nach der Batterie

Seite 11:

Bataillon, was dasselbe be-
deutet wie bei der Feldartillerie
Abteilung also Majorsstelle.
Mit Prinz Fritzi(1) komme ich ab
und zu zusammen.

Nun aber ruft der
Dienst. Herzlichste Grüße Euer
dankbarer und gesunder

August

---
Anmerkung:

(a)Wahrscheinlich Prinz Fritz von Fürstenberg, von dem im Brief vom 18.10.1916 die Rede ist.

11.11.1916

Seite 1:

E.[ingang] 21.XI Im Felde 11. Nov. 1916

Lieber Vater!

Und wiederum setze ich
mich im Felde an den Tisch um
zum Geburtstag meine Glück-
wünsche darzubringen.

Ich mag nicht mehr pro-
phezeien, denn meine letzten
Zukunftsüberlegungen vor einem
Jahr haben der Wirklichkeit nicht
standgehalten. Ich will mich aber
jetzt schon freuen auf das erste Ge-
burtstagsfest nach dem Kriege an
dem ich erscheinen werde und münd-

Seite 2:

lich meine Glückwünsche (a)
aussprechen kann.

Man [...] bei uns die
Proklamation des Königreichs Polen
und denkt dabei an eine [...]
ge Verständigung mit Rußland.
Vielleicht auch ist eine Verständi-
gung über Rumänien mit Ruß-
land im Gange. Das wäre doch
jedenfalls der Anfang vom Ende.
Der Verlust von Donaumont(1) und
Vaux(1) ist bedauerlich trotz aller Be-
schönigungsversuche. Indes ist dort
die taktische Lage nicht schlimmer
eben als zu Anfang und der Ge-
winn links der Maas bleibt



---
Anmerkungen:
(a) durchgestrichen: mündlich

(1) Fort bei Verdun

Seite 3:

ja doch. Daß die Verdunsache zu
Ende ist, ist sicher. Als Ende der
Schlacht von Verdun wird amtlich
in den Kriegsstammrollen der
9. Sept.[ember] 1916 bezeichnet, ein Beweis
für die Absichten und Ansichten der
Obersten Heeresleitung. Jenes schreck-
liche Ventil, das von uns der Kampf-
energie der Franzosen geöffnet
wurde, ist geschlossen und nicht
mehr nötig.

In Eile, ich muß
schließen

Euer

August.

17.11.1916

Seite 1:

E.]ingang] 28 XI Im Felde 17.11.16

Liebe Eltern!

Es hat geschneit, es hat sehr geschneit.
Freund und Feind sind mit weißer
Decke zugedeckt. Seit dem Vogesen-
winter habe ich so viel Schnee nicht mehr
gesehen. Wir leben hier doch durchweg
in 1000 m Höhe, also etwa 150 m
höher als Kirchzarten.(1) Ihr könnt Euch
also einen Begriff davon machen.
Gerade vor dem Schneefall sind unse-
re Blockhäuser u. s. w. fertig gewor-
den, so daß es nicht so schlimm, im
Gegenteil ganz gemütlich ist.

Ich bin gesund und munter.

Herzlichste Grüße

August.


---
Anmerkung:

(1) Gemeinde im Dreisamktal bei Freiburg i. Br.

24.11.1916

Seite 1:

E.[ingang] 2.XII Im Felde 24.11.1916

Liebe Eltern!

Euren Brief vom 11/11 habe ich
erhalten, ebenso zwei Karten
mit früheren Daten. Vielen Dank
dafür. Die Sektfabrik in Azuga
haben wir gründlich ausgeräumt.
Auch ich habe mein Teil erhalten.
Azuga liegt mitten in unserer Front
drin, ziemlich zerschossen. Aus der
Brauerei hole ich Gerste und füttere
meine Pferde. Die Einrichtungs-
gegenstände der Villen Azuga´s
dienen zur Ausschmückung und
zum wohnlich Machen der ver-

Seite 2:

schiedenen Unterstände. Sinaia ist einstweilen nur von fern
sichtbar. Oben auf dem Clabuketu Baiului, wo ich meine
Beobachtungsstelle habe, sehe ich gerade eine Kuppel von
Schloß Pelesch.

Nun ist Craiova genommen und Campulung,
das ist ein prächtiger Schritt hinein in die walachische Ebene.

Was ich zu Weihnachten mir wünsche. Du lieber
Himmel! Für meine Mannschaften, das sind aber 140 Mann,
die hätten ganz gerne einige Zigarren, weil man hier nur
Zigaretten empfängt. (a)Hummel(a) ist noch nicht wieder da, er
ist beim Ers.[atz] Truppenteil. Gebrauchsgegenstände sind überflüssig.
Lesefutter haben die Leute immer durch mich. Es bleiben also
Zigarren und etwas Rum oder sonstige Spirituosen. Letzteres läßt
sich aber schlecht verschicken und ist für so viele immer zu wenig.
Ich persönlich habe keine Wünsche.


---
Anmerkung:

(a) unsicher

Seite 3:

Möglich wäre es, daß ich Ende
ds. Jahres in Urlaub komme.
Wenn hier die Verhältnisse so
ruhig bleiben, wie sie sind, kann
es sein, daß ich bis etwa Weih-
nachten nach Hause komme.
So könnten wir die dritte
Kriegsweihnachten gemeinsam
feiern.

Freut Euch einstweilen nur
mit Vorbehalt. Vielleicht wird
es nichts.

Herzliche Grüße
August

03.12.1916

Seite 1:

E.[ingang] 10.XII. Im Felde 3. Dez. 1916

Liebe Eltern!

Es hat eine kleine Verschieb[un]g.
gegeben. Ich bin in einem Seiten-
tal u. zw.[ar] ganz allein mit der
Batterie. Vermutlich wird unse-
res Bleibens auch hier nicht lange
sein, da die Kämpfe in der wa-
lachischen Ebene in günstigem und
raschen Fortschreiten begriffen sind.
Wie es mit Urlaub wird[,] weiß
ich halt wieder nicht. Eure Karte
vom 19.11. habe ich erhalten.

Herzlichste Grüße
August.



06.12.1916

Seite 1:

E.[ingang] 13.XII Im Felde 6. Dez. 1916

Liebe Eltern!

Euren Brief vom 23/11 habe
ich noch erhalten. Eben bekomme
ich die Nachricht, daß Sinaia(1) ge-
nommen ist. Ich bin mit mei-
ner Batterie einem Seitendeta-
chement zugeteilt, so komme
ich nicht durch Sinaia durch. Es
kommt halt immer anders
als man denkt.

Gestern noch bin ich auf
einsamen[,] über 1800 m hohen
Karpathenhöhen herumgeklettert,

---
Anmerkung:

(1) Stadt in den Karpaten

Seite 2:

ein Zug meiner Batterie liegt da oben - und heute werden
wir wahrscheinlich hinuntersteigen in die walachische Ebene.
Wir haben noch einen Marsch durchs Gebirge vor uns.
Der Rumä-
ne aber leistet keinen Widerstand. Es wird daher nicht sehr
schwierig werden. Nur fällt natürlich mein Urlaub, von dem
ich Euch erzählte[,] vorläufig ins Wasser. Wir gehen in einem
Seitental östl.[ich] von Sinaia(1) vor.

Es geht da unten fröhlich vor und namentlich das
Alpenkorps hat hübsche Arbeit getan, schade daß wir nicht da-
bei gewesen sind. Hier war es all die letzten Tage und
sogar Wochen still und ruhig. Jetzt räumt der Rumäne
die Stellungen und wir folgen nach. Ich weiß nicht
wann Euch dieser Brief erreicht. Jedenfalls wird

---
Anmerkung:

(1) Stadt in den Karpaten

Seite 3:

in nächster Zeit die Post-
verbindung unregelmäßig
werden.

Ich sende Euch noch eini-
ge Bilder aus Predeal(1) und
Umgegend.

Herzlichste Grüße
Euer
August

---
Anmerkung:

(1) Stadt in den Karpaten, direkt an einem Pass auf 1093 Metern gelegen.

08.12.1916

Seite 1:

E.[ingang] 17.XII Im Felde 8. Dez. 1916

Liebe Eltern!

Wir sind immer noch am
alten Fleck und haben die große
Offensive gar nicht mitgemacht.
Schade, sehr schade. Beinahe wie
Moses standen wir und schau-
ten hinunter ins Land der
Verheißung, sollten aber nicht
hineinkommen. Augenblick-
lich liegen wir untätig als
Korpsreserve. Bin gesund und
munter.

Herzlichst August

18.12.1916

Seite 1:

E.[ingang] 27.XII 18. Dezember 1916

Liebe Eltern!

Ich weiß nicht, wann ich
diesen Brief der Post über-
geben kann. Wir sind tief
in Rumänien drinnen.
Nachdem Sinaia(1) genom-
men, war das Massenauf-
gebot an Art.[illerie] im Predealtal(2)
überflüssig. Wir sind nun-
mehr wieder bei unserem
angesammelten Korps.
Ich kann genauere Orts-
angaben nicht machen. Doch

---
Anmerkungen:

(1) Sinaia: eine Stadt im rumänischen Kreis Prahova; südlich von der Stadt Kronstadt (heute: Brașov)
(2) Predeal: die am höchsten gelegene Stadt in Rumänien

Seite 2:

soviel kann ich sagen, wir sind am Rand der walachi-
schen Ebene. Viel kenne ich von Rum.[änien] jetzt noch nicht.
Doch scheint mir eine große Ähnlichkeit mit Serbien
zu herrschen. Schweine, Mais, Handspinnerei, Sliwowitz (1)
all das find man. Danben hat aber das Land einen ge-
wissen Ansatz zu reicher Entwicklung in sich. Zweifel-
los ist Rumänien von Natur aus reicher bedacht.
Neben den Bodenerzeugnissen im eigentlichen Sinn,
spielt hier das Petroleum eine ganz überragende
Rolle; das merkt man an vielen Kleinigkeiten.
Nächstens schreibe ich ausführlich.

Mit dem Urlaub ist es wieder nichts für
nächste Zeit. Der älteste Leutnant, der mich hätte

---
Anmerkung:

(1) Sliwowitz: serbisches Nationalgetränk;aus Zwetschgen; alkoholisch

Seite 3:

vertreten sollen, ist an
Blinddarmentzündungung
erkrankt. Bis der wie-
der kommt, wird´s
wohl nichts sein.

Man munkelt von
Frieden, der nun auf die
Erklärung der Mittelmäch-
te folgen sollte. Ich glaube
nicht daran. Im Frühjahr
1917 wird sicher noch einmal
eine Kraftanstrengung
unserer Feinde versucht
werden.

Seite 4:

Hier ist zur Zeit eine
kleine Ruhepause einge-
treten. Es sollen uns Russen
gegenüber liegen. Die Gefechts-
tätigkeit beschränkt sich aber
auf einiges Vorpostengeschieße.

Ich bin gesund und mun-
ter wie immer und sende
Euch meine herzlichsten Weih-
nachtswünsche.

Euer dankbarer
August

03.01.1917

Seite 1:

I E.[ingang] 11.II. 3. Januar 1917

Liebe Eltern!

Endlich habe ich Gelegenheit
Briefe an Euch abzulassen.
Wann er Euch trifft, weiß
ich nicht.

Die Feiertage liegen
hinter mir, aber wie; tief
im unwegsamsten Kar-
pathengebiet Rumäniens
haben wir sie zwischen Ge-
fechten und Märschen ver-
lebt. Ich will der Reihe

Seite 2:

nach Erzählen. Nach der Operationspause, die nach
der Eroberung Bukarests eingetreten war, ging
es wieder weiter auf den Buzauabschnitt zu. Das
Alpenkorps, nomen est Plage, natürlich in den Ber-
gen. Anfangs ging es auf recht anständigen
Straßen, dann aber hörte die Straße, die einen
solchen Namen verdient auf. Und da stand die (b)rechte(b)
feindliche Linie, Rum.[änen] und Russen gemischt. Leichte Posten,
aber sie zwangen zur Entwicklung. Die Haubitzen
taten ihre Schuldigkeit. Die Postenlinie wurde aufge-
geben, der Vormarsch angetreten. Bagage, sogar
die Gefechtsbagage blieb zurück nur Geschütze und einige
Mun.[itions] Wagen gingen vor. Die Wege grundlos, echt serbisch

---
Anmerkung:

(a) unsicher

Seite 3:

tiefer Schlamm. Wassereinschnitte[,]
enge Wegbiegungen mit
steilen Böschungen, das war
der Weg.

Am 24. kamen wir
in ein Bergtal. Der Rumä-
ne hatte sich gestellt. Eine
Kette von Bergen boten ihm
eine gute Stellung. Infante-
rie schaffte es nicht allein,
jetzt mußten die Jünger
des schwarzen Kragens(1) ran.
Wir schaffen bis zum Abend.

---
Anmerkungen:

(1) umgangssprachlicher Name für Artilleristen

Seite 4:

II

Der Gegner wich nicht.

Ich war vorsichtig gewesen
in der Wahl meiner Feuer-
stellung und hatte einen
hübschen Gutshof in der Nähe.
Dort verlebte ich Weihnachten
und feierte meinen Ge-
burtstag.

Zunächst ein paar Worte über
das Land. Die Berggegend ist
seltsam, ganz anders als der
Karpathengrenzkamm. Da
haben sich in süd-nordlichen
Richtungen Schollen aufgetürmt,

Seite 5:

aus weichem lößartigen Gestein von Süden ansteigend,
brechen sie nach Norden scharf ab. Bäume wachsen keine
alle Höhen sind kahl. Überall fließt die Erde zu Tal, tatsäch-
lich fließt sie[,] die weichen Massen rutschen und brechen.
Gletscherspalten öffnen sich aus Rasenschollen und alles ist
sumpfig und feucht. Der Boden ist schwer und muß sehr
fruchtbar sein. Überall sind Dörfer. Anscheinend ist das
Gebirge reicher besiedelt als die walachische Ebene. Die
Lebenshaltung der Bauern ist auch zweifellos gehobener als
in Serbien. Die Quartiere sind durchweg besser, überall
finden sich bessere Häuser wohlhabender Besitzer. Und dann
grunzt es, quiekt es, schnattert und gackert es, daß es eine
Freude ist für einen hungrigen Soldaten. Heu und Mais
fürs Pferd sind ebenfalls reichlich vorhanden. Hafer allerdings

Seite 6:

mangelt. Die Truppe em-
pfängt nur Brot, Kaffee und
Zucker, sonst ernährt sie sich
aus dem Lande. Als Zutaten
findet sich häufig Wein. Es
gibt viele Reben und der
Wein ist gut. Ferner Honig
und Nüsse. Es läßt sich also
materiell aushalten. Auch einen
Pflaumenschnaps von ver-
zweifeltem Geschmack findet
man nicht selten. Dieser Schnaps
ist Nationalgetränk.

So war auch der Weih-
nachtstisch besetzt. Auch der

Seite 7:

III

Baum fehlte nicht mit Lich-
tern. An sonstiger Beleuchtung
fehlt es nicht im Petroleumland(1).
Mein (a)Quartier(a)wirt war abwesend.
Er ist Ingenieur und hat da
hinten in einsamem Berg-
tal ein Landgut[,] da waren
wir in ganz behaglich einge-
richtetem Zimmer. Meine Ka-
noniere waren im selben Hof.

Am anderen Morgen schossen
wir weiter. Der Rumäne
dachte nicht an Abbauen. Im Ge-
genteil griff er an, da er wohl

---
Anmerkungen:

(a) überschrieben, durchgestrichen: „Gast“

(1) gemeint ist Rumänien

Seite 8:

Verstärkungen bekommen hatte. Allein die (a)Batterieen(a) hatten
sich vermehrt und der Angriff der Rumänen geriet in
unser Feuer und zerstieb. So wurde unter Kanonen-
donner das Friedensfest begangen - die Menschen sind
offenbar noch nicht guten Willens.

Am dritten Tag nach dem heiligen Abend war
der rumänische Widerstand gebrochen. Es ging weiter.
Die rum.[änische] Berglandschaft ist seltsam. Eintönig erhebt sich
Gipfel an Gipfel, eine Hügelkette hinter der andern, scharf-
schattig, baumlos. So muß man herauf, hinab und so fort
um vorwärts zu kommen. Ab und zu kommt von der
Ebene her zu irgend einem größeren Ort eine bessere
Straße. Wir aber mußten quer durchs Gebirge. So ging es
unter unsäglichen Schwierigkeiten mit (b)Hülfe(b) einer

---
Anmerkungen:

(a) andere Schreibart: Batterien
(b) flektierte Form des Verbs helfen

Seite 9:

Pionierkompagnie nach
Buda(1) und von dort weiter
über Dumitresti(2)

Silvester war gekommen.
Mittlerweile waren die Ru-
mänen wieder zum Halten
gekommen und für uns
aber die Schwierigkeiten aufs
Höchste gestiegen, knöcheltief
lag zäher, zementartiger
Schlamm auf steilen Straßen,
der dem Menschen den Schuh
vom Fuß, dem Pferd das
Eisen vom Huf zog. Wir ließen

---
Anmerkungen:

(1) Buda: Stadt in Rumänien in der Nähe des heutigen Buzău.
(2) Dumitresti: Stadt in Rumänien in der Nähe des heutigen Buzău.

Seite 10:

IV

alles zurück bis auf zwei
Lafetten(1), spannten vor jede
zwölf Pferde und zogen un-
entwegt durch Schlamm u.[nd]
Wasserlöcher, über Hänge, auf
Kämmen entlang weiter[.]
Ein einsames Bergtal war
das letzte, was wir erreichten.
Da brachten wir die Geschütze in
Stellung und quartierten
wir uns ein.

Ohne irgendein Getränk[,]
außer Kaffee[,] in einer

---
Anmerkung:

(1) Fahrbares Gestell, auf dem eine Waffe montiert werden kann.

Seite 11:

qualmenden Bauernstube, ohne irgendeinen Einrichtungs-
gegenstand brachten wir Silvesterabend zu. Am anderen
Tag war der Russe und Rumäne fort.Die Mühe war
umsonst gewesen. Jetzt gehen wir in die Ebene zurück[.]

Noch ein paar Bilder aus Predeal(1) und Umgebung.
Eine Ansichtskarte zeigt den Schuler(2)[,] einen wilden
unzugänglichen Felsen, den einen Wächter am Ein-
gang des Predealpasses. Dort soll es Bären geben.

Ein paar Bilder vom (a) Durchschreiten einer
Furt bei Buzau(3).

So wünsche ich Euch ein fröhliches neues
(b)Jhahr(b) Euer herzlich grüßender

August.

---
Anmerkungen:

(a) durchgestrichen: „Über durch“
(b) unsicher, erstes h vielleicht durchgestrichen

(1) Predeal liegt direkt auf der Passhöhe in 1.093 Meter beim Überschreiten der Karpaten.
(2) Berg in der Nähe von Kronstadt
(3) Buzău (dt: Busäu), Stadt in der Wallachei

02.02.1917

Seite 1:

E.[ingang] 12.II 2.II.1917

Liebe Eltern,

Ich bin in Rimnicul-Sarat und
im Begriffe weiter zu fahren (a)zu(a)
meinem Reg[imen]t. Die Fahrt ging sehr
rasch von statten bis hierher. Nur
in München habe ich den Anschluß
nicht bekommen, sonst ging es.
in einem Rutsch ohne jeglichen Aufent-
halt durch bis Bukarest. Dort habe
ich übernachtet und dann weiter
bis hierher und wieder übernachtet.
Jetzt fahre ich mit unserem Post-
wagen weiter. Morgen Abend
gedenke ich bei der Truppe zu sein.

Mir geht es gut wie immer.

Vielen vielen Dank nochmals für
(b) die Aufnahme im
Urlaub. Ich bin recht ungern weg[.]

Euer August


---
Anmerkungen:

(a) durchgestrichen: nach
(b) weiter am oberen Ende der Seite

04.02.1917

Seite 1:

E.[ingang] 14.II 4.II.1917

Liebe Eltern!

Zunächst eine Nachricht, die
Euch Freude machen wird. Ich
habe an Kaisers Geburtstag
das E.[iserne] K.[reuz] 1. Klasse bekommen.
Ich freue mich darüber.

Ich bin gestern Abend bei der
Batterie eingetroffen[,] wohlbehalten
bis auf einen Schnupfen,
den ich mir auf der Bahnfahrt
geholt habe. Die Fahrt ging zuvor
sehr schnell aber die Züge (a)waren(a)

---
Anmerkungen:

(a) unsicher

Seite 2:

überfüllt und kalt, also
Gelegenheit sich Schnupfen zu
holen. Gelegentlich schreibe
ich Genaueres.

Einstweilen kann
ich noch melden, daß ich einen
Haufen Postpäckchen vorge-
funden habe. Ich teile noch mit, was alles angekommen
ist.

Meine plötzliche Abreise
führt n u r darauf zurück,
daß vom 3. bis 19. Febr.[uar] Ur-
laubssperre ist. Wir sind
noch am alten Ort und blei-
ben vermutlich da.

Ich schicke Euch einige
von den Bildchen (Es sind
alle angekommen) mit
Bezeichnung und Angabe,
wie viele ich mir nach er-
bitte, zurück.

Herzlichste Grüße

Euer August.

09.02.1917

Seite 1:

E.[ingang] 18 II 9. Februar 1917

Liebe Eltern!

Ich habe nunmehr alle Päckchen,
die an mich abgesandt worden sind
erhalten und zwar Nr. 339 bis 386
auch eine Rolle hinterlistiges(1) Papier
vom 9.I.17. Es fehlen nur
die Päckchen 375 und 376 und an-
scheinend sind nur 4 Päckchen teilw[ei]se
gekommen (366/68). Auch ist heute
das große Paket mit allem
Inhalt unversehrt angekommen.
Jetzt habe ich alles, was an




---
Anmerkung:

(1) Bedeutung unklar

Seite 2:

mich unterwegs war.

Meinen herzlichsten Dank dafür.
Viel viel Freude hat mir das
Weihnachtspäckchen von Mutter
gemacht. Heimat war es im
engen rum.[änischen] Dorfstübchen, wie
das Päckchen aufgemacht wurde.

Von der Fahrt hierher ist nicht
viel zu berichten. Die Fahrt ging
besser von statten als hinzu. Ich
konnte bis Rimnicul fahren,
mit der Eisenbahn. Von dort
dann mit dem Postwagen
unserer Abteilung.

Seite 3:

Zur Zeit herrscht hier reiner
Stellungskrieg. Von keiner Seite
wird etwas unternommen.
Wir liegen im Schnee einander
gegenüber und zwischen den
beiden Stellungen fließt ein
jetzt zumeist zugefrorener Fluß.

Alles ist ruhig. Meist herrscht
Nebel. Seit den letzten beiden
Tagen ist Sonnenschein. Über
Absichten in nächster Zeit ist
uns gar nichts bekannt.

Daß der verschärfte U Boot

Seite 4:

krieg eingesetzt hat freut
uns alle. Es handelt sich in
diesem Jahr um den letzten
Kampf und da ist jedes Mittel
recht. Ich glaube auch bestimmt,
daß damit die Ereignisse
beschleunigt werden.

Ich bin gesund und munter.

Herzlichste Grüße
Euer dankbarer
August.

Einliegend
noch vier Bildchen
ohne große Bedeu-
tung. L[eu]t.[nant] Harms ist
einer meiner Batt.[erie] Offiziere.

19.02.1917

Seite 1:

I. E.[ingang] 4. III 19. Februar 1917

Liebe Eltern!

Ich habe Gelegenheit durch einen
in Urlaub fahrenden Offizier Euch
diesen Brief zukommen zu lassen.
Da ich nicht weiß, ob Ihr bis dahin meine
früheren Schreiben erhalten habt, teile
ich Euch noch mal mit, daß ich am 27.
I.17. das Eiserne Kreuz 1. Klasse er-
halten habe.

(a)Unterdes(a) habe ich Euch in einer
Anzahl von Päckchen verschiedene
Bücher zurückgeschickt, die Ihr wohl
mit der Zeit erhalten werdet.

Die kleinen Weihnachtspaketchen


---
Anmerkungen:
(a) unsicher, vielleicht auch: Nebendes

Seite 2:

habe ich erhalten, ebenfalls das große mit dem Wollsweater. Noch-
mals meinen allerherzlichsten Dank.

Hier ist nun des Dienstes Uhr aufgezogen und geht ihren
gleichmäßigen Gang. Ich habe es gut. Ich wohne in meiner sog.[enannten]
Protzenstellung in einem etwas rückwärts gelegenen Dorf
ganz in der Nähe vom Ausgangspunkt meiner Urlaubsreise.
Die Feuerstellung ist hiervon etwa 3 km ostwärts. Wir liegen
hier auf einem Boden der platt wie ein Kuchenteller und
baumlos sich erstreckt, das ist natürlich ungünstig für eine
Batterie, die sich verstecken muß, damit sie vom Feind nicht
bekämpft werden kann. Man muß sich decken nicht nur
gegen Sicht vom Boden, sondern auch gegen Flieger. Glücklicher-
weise sind die russischen Flieger nicht allzu wagemutig[.]

Seite 3:

So graben wir uns denn lang-
sam aber sicher in den Boden ein,
bis hoch über die Nase und dann
bergmännisch in den Boden.

Man hats gelernt bei Verdun.
Die Russen haben aber mehr
Geschick, die sind schneller im
Boden wie wir. Rumänen
sind uns nicht mehr gegen-
über. Die Russen graben
und bauen was Zeug hält.
Daß sie hier angreifen, glaube

Seite 4:

II

ich nicht. Andererseits vermag ich
über unsere Absichten verständlicher-
weise gar nichts zu sagen.

Neben der taktischen für den
Kampf berechneten Tätigkeit
ist natürlich in der Batterie viel zu
tun, um, was während des Be-
wegungskrieges verbraucht ist[,]
zu bessern. Material muß in Stand
gesetzt werden. Pferdepflege erfor-
dert viel Aufsicht. Futter ist na-
türlich, wenn man so lange an
einem Ort ist, knapp. Und doch

Seite 5:

möchte man runde Pferde haben. Dann muß mit dem in
der langen Zeit der geringen Beaufsichtigung etwas aus
Rand und Band geratenen Mannschaft exerziert wer-
den, damit wieder etwas Drill hineinkommt.

So gibt es immer Arbeit. Aber langweilich ist’s halt
doch auf die Dauer. Man ist das schöne Soldatenleben des Be-
wegungskrieges gewohnt.

Der Ubootkrieg und die Note vom 1. Februar, die haben
uns Freude gemacht. So ist´s recht. Wenn im Monat eine
Million Tonnen versenkt werden, dann gehts in diesem Jahr
mit dem Krieg zu Ende. Ich will nicht klagen, aber wir
sind alle doch recht kriegsmüde geworden. Nicht ohne daß wir
wüßten, wie not das Durchhalten tut. Hoffentlich geht es

Seite 6:

wieder ein bischen drauf
und vorwärts, so nach
Kiew zu. Das wäre wieder
was für einen alten Sol-
daten.

Herzlichste Grüße
Euer dankbarer
August

20.02.1917

Seite 1:

E.[ingang] 27 II 20.II.1917

Liebe Eltern!

Ich habe gestern der Firma
Zeis(1) geschrieben wegen (a)des(a)
bewußten Glases(2). Preis be-
trägt 110,- M [Mark]. Zeiss(1) soll das
Glas(2) an dich schicken und (b)[...]-
ko(b) würde den Preis berichtigen,
habe ich geschrieben. Du wirst
dann die Sache mit W.(3) ins
Reine bringen. Ich bin gesund
und munter. Herzlichste Grüße

August

---
Anmerkungen:

(a) ursprünglich "dem", nachträglich berichtigt "des"
(b) unsichere Lesung: Es könnte Weko (Kurzform von Wendekind) oder Wako sein.

(1) Firma Carl Zeiss: Ein Taditions-/Markenname in der Optikbranche. Es ist ein Hersteller optischer Erzeugnisse: Mikroskope, Brillengläser (Gleitsichtgläser und Spezialschliffe), Zielfernrohre, Ferngläser, Spektive, Kameras und vieles mehr. Große Bekanntheit erlangte das Unternehmen Carl Zeiss durch seine astronomischen Instrumente. Hierzu gehören Linsenfernrohre, Spiegelteleskope und Ausrüstungen für Observatorien, aber auch Planetarien. Gegründet wurde das Unternehmen als kleine Werkstatt im Jahr 1846.
(2) Er hat sich wahrscheinlich ein Brillenglas, Lupenglas, eine Kameralinse oder Ähnliches schicken lassen.
(3) die gleiche Person, wie in Zeile 4/5.

25.02.1917

Seite 1:

E.[ingang] 7.III. Im Felde 25.II.1917

Liebe Eltern!

Bin gesund und munter, wie
immer. Ich habe mehrere Bücher, die
ich gelesen habe, als Päckchen an Euch
geschickt, ferner einige Wollsachen,
die ich n i c h t brauche. Statt des leichten
Wolljäckchens habe ich den schweren
weißen Sweater(1) behalten. Die Päck-
chen werden wohl mit der Zeit an
Euch gelangen. Mir geht es gut.
Hier herrscht immer noch Ruhe und
allem nach scheint der Russe hier
nicht angreifen zu wollen, wahr-
scheinlich wir auch nicht. Herzlichste

Grüße August.

---
Anmerkung:

(1) Sweater: Englisches Wort für eine Jacke aus Baumwolle, gehörte zur Grundausstattung der Armeebekleidung.

05.03.1917

Seite 1:

E.[ingang] 17.III
Im Felde 5.III.1917

Liebe Eltern!

Ich habe eine Anzahl von
Päckchen an euch gesandt; Inhalt:
gelesene Bücher, ein Pack Kaffee-
ersatz, und Wollsachen, die ich nicht
brauche. Ich werde versuchen, soweit
möglich, Lebensmittel oder andere
nützliche Dinge Euch zu senden.

Hier ist die alte Geschichte Stellungs-
krieg(1). Papierkrieg. Da die höheren
Stäbe nichts anders zu tun haben,
so befehlen sie. Es regnet in endloser

---
Anmerkung:

(1) Stellungskrieg: Im Gegensatz zum Bewegungskrieg eine defensive Form der Kriegführung, die von statischen Frontverläufen geprägt ist. Charakteristisch ist hierbei meist die Sicherung der Fronten durch ausgedehnte Systeme von Feldbefestigungen, weshalb es sich bei vielen Stellungskriegen um Grabenkriege handelte.

Seite 2:

Folge Tagesbefehle, taktische Befehle, besondere Anordnungen. Es scheint
sich darin eine deutsche Eigentümlichkeit zu offenbaren. Bis ins klein-
ste hinein wird von oben herunter befohlen und zwar in ziemlich
bürokratischer Weise, und Militärbürokratie ist das schlimmste. Nun
als alter Feldsoldat ist man abgebrüht und läßt die Papiere über
sich ergehen und wirft sie in Ermangelung eines Papierkorbs
ins Feuer. Einliegend habe ich einige Bilder. Die Abzüge sind flau(1).
Die Films schicke ich Euch nächstdem(2). Wenn geeignetes Papier,
etwa Rembrandtpapier genommen wird, so werden die Ab-
züge gut werden. Laßt also solche herstellen und verleibt diese
dann dem Album ein. Ebenso verfahrt mit den Films, von
denen keine Abzüge beiliegen. Nur von dem Bild von mir
selbst, und zwar von mir allein, bitte ich mir vier Abzüge zu
senden. Sonst von keinem Film. Dann bitte ich mir noch 2

---
Anmerkungen:

(1) flau: Begriff für ein nebeliges, unscharfes Negativ eines Photos
(2) nächstdem, sinngemäß "nächstens".

Seite 3:

Mignonbatterien(1) (al.(2) Tasch.[en] L[am]pe)
zu besorgen.

Im übrigen ich bin
gesund und munter wie
immer[.] Euer mit herzlichen
Grüßen August

---
Anmerkungen:

(1) Mignonbatterie: Mignonzellen (-batterien) werden vorwiegend in kleinen, oft tragbaren, elektronischen Geräten verwendet (z.B.: Fotoapparate, Taschenlampen, Uhren). Die heute geläufigsten Größen dieser Batterienvariante sind die AAA- oder AA-Batterie. Technologie: Alkali-Mangan
(2) Abkürzung: Alkali; Bezug auf die Alkali-Mangan-Batterien

09.03.1917

Seite 1:

E.[ingang] 20.III
Im Felde 9.III.1917

Liebe Eltern!

Einliegend die Rechnung
von Zeiss(1). Die Sache wird unter-
dessen erledigt sein.

Ferner habe ich noch eine Anzahl
Bilder von einem Kameraden
bekommen (Lt.(2) Kohl) aus dem sieben-
bürgischen Feldzug.

Das Grenzhaus in Predeal(3)
mit dem sich links anschließenden
Schützengraben bildete mein Ziel
beim Trommelfeuer(4) vor Er-
stürmung des Ortes. Viele Löcher

---
Anmerkungen:

(1) Firma Carl Zeiss: Es ist der Taditions-/Markenname in der Optikbranche. Ein Hersteller optischer Erzeugnisse: Mikroskope, Brillengläser (Gleitsichtgläser und Spezialschliffe), Zielfernrohre, Ferngläser, Spektive, Kameras und vieles mehr.
Große Bekanntheit erlangte das Unternehmen Carl Zeiss durch ihre astronomischen Instrumente. Hierzu gehören Linsenfernrohre, Spiegelteleskope und Ausrüstungen für Observatorien, aber auch Planetarien. Gegründet wurde das Unternehmen als kleine Werkstatt im Jahr 1846.
(2) Lt.: Abkürzung für Leutnant. Eine Rangstufe in der Armee. Hier handelt es sich um einen Soldaten im niedrigsten Offizierdienstgrad.
(3) Predeal: Die am höchsten gelegene Stadt in Rumänien. Sie liegt in einem Pass, in den Karpaten. Dieser ist die wichtigste Verbindung zwischen der Walachei und Siebenbürgen. Unmittelbar nördlich der Stadt war die Grenze zwischen (damals) Österreich-Ungarn und Rumänien.
(4) Trommelfeuer: Die Reaktion auf die Taktik der Infanterie, sich in Schützengräben zu verschanzen. Sie sollte mit massivem Feuerschlag vernichtet oder demoralisiert werden. Erstmals wurde die Taktik im Ersten Weltkrieg angewendet. Es war der permanente, massive Artilleriebeschuss auf ein bestimmtes Gebiet. Die Detonationen gingen dabei in ein dröhnendes Donnern über, einzelne Einschläge waren nicht mehr herauszuhören. Das stunden- und tagelange Trommelfeuer hatte enorme psychische Wirkung auf die Kampfmoral der Soldaten und war verantwortlich für Kriegsneurosen.

Seite 2:

im Haus sind von mir. Von der Beobachtungsstelle im Tömös-
tal aus ist der Sturm auf den Czaplyat, die beherrschende
Grenzhöhe bei Predeal(1) geleitet worden. Dort waren fast alle
Art.[illerie]beobachter. Bei Persany(2) am Geisterwald hat meine
Batterie eine rum.[änische] Haubitze(3) zusammengeschossen das
rechte Lafettenrad ist zertrümmert. Meine Kanoniere
stehen nun um dieses Beutestück herum.

Gestern habe ich ein Päckchen mit Kuchen und
Pralinen und eine Karte vom 27.2. erhalten.
Vielen Dank dafür. Ich bin gesund und munter wie
immer. Herzlichste Grüße. Euer August.

---
Anmerkungen:

(1) Predeal ist ein Ort in Rumänien südlich von Kronstadt am Predeal-Pass.
(2) Persany ist ein Ort im heutigen Rumänien nordwestlich von Kronstadt am "Geisterwald".
(3) Eine Haubitze ist ein militärisches Geschütz.

23.03.1917

Seite 1:

E.[ingang] 31.III Im Felde 23.III.1917

Liebe Eltern!

Gestern erhielt ich ein weiteres Päck-
chen mit Schokolade und Pralinen
sowie ein Päckchen, in dem sich außer-
dem, noch eine Tube Senf befand.
Vielen herzlichen Dank dafür. Die Reise-
schilderung hat mich sehr gefreut. Hat sie
mir doch all jene schönen Tage in die Er-
innerung zurückgerufen. Weitere
Exemplare davon sind nicht nötig. Josef
wird Euch inzwischen Grüße von mir be-
stellt haben. Von den Büchern, die du
mir genannt hast würde ich besonders
folgende gerne haben "Neue Welten"(1)Bölsche(2),
["]An Bord"(3) Fendich(4), W. Rathenau(5)"von kom-
menden Dingen"(6). Einstweilen herzliche Grüße

Zusatz Oben:

Ich bin gesund
und munter wie im-
mer Herzlichst
August

---
Anmerkungen:

(1)"Neue Welten" ist ein Buch von Wilhelm Bölsche aus dem Jahr 1917.
(2) Wilhelm Bölsche (2.1.1861-31.8.1939) war deutscher Schriftsteller, der naturwissenschaftliche Schriften veröffentlichte, aber selbst kein Naturwissenschaftler war.
(3)"An Bord" ist ein Buch von Anton Fendich aus dem Jahr 1916.
(4) Anton Fendich (8.4.1868-6.1.1949) war ein deutscher Schriftsteller und Politiker.
(5)Walther Rathenau (29.9.1867-24.6.1922) war ein deutscher Schriftsteller, Industrieller und liberaler Politiker. Ab dem 31.1.1922 war er Reichsaußenminister und wurde später Opfer eines tödlichen Attentats.
(6)"Von Kommenden Dingen" ist ein Buch von Walther Rathnau aus dem Jahr 1917.

27.03.1917

Seite 1:

E.[ingang] 2.IV Im Felde 27.III.1917

Liebe Eltern!

Eure Briefe vom 16. u.[nd] 17.3. sind angekommen.
Mit dem Ekkehard(1) wird mir Vater eine große
Freude machen. Gestern erhielt ich das Märchenbuch
aus Neugriechenland(2). Ich lese sie gerne die
Märchen. Das
Unwirkliche darin ist ein solcher Gegensatz zum Leben,
daß es eine Erholung ist. Dank für die Adresse von
Sambraus. Die A l t g r i e c h i s c h e n M ä r c h e n würde ich ger-
ne haben. Es ist meine erste Kindsheitserinnerung,
daß Mutter mir die griechischen Märchen von Schwab
vorgelesen hat. Da würde mir das Buch eine
besondere Freude machen. Hier herrscht wie im-
mer Ruhe. Nur selten stört ein Schuß den

---
Anmerkungen:

(1) wahrscheinlich Bezug auf das Werk „Ekkehard“ von 1855 von Joseph Victor von Scheffel (16.2.1826-9.4.1886)
(2) Neugriechenland ist die Bezeichnung für Griechenland nach der "Griechischen Revolution" 1821 und der damit verbundenen Lossagung vom Osmanischen Reich.

Seite 2:

Frieden. Ich habe einen animus(1) als ob
wir nicht mehr lange hier wären, was
soll das Alpenkorps hier, wo nichts zu tun
ist. Und schön wäre es doch, beim Schluß-
rambo dabei zu sein. Die Gerüchte
schwirren, daß Rußland Friedensge-
lüste hätte. Vielleicht. Und doch wäre
es beinahe zu schön. Indes glaube ich
und habe nie aufgehört zu glauben
an unsere Zukunft und an Deutsch-
lands Berufung zum Weltreich. Das

---
Anmerkung:

(1) animus : (lateinisch) für Sinn, Geist, Verstand, Gesinnung oder Verstand. Hier bedeutet es soviel wie "Vorahnung".


Seite 3:

wäre der Anfang eines siegreichen Endes.
Der Kampf mit England geht ja so schnell
nicht zu Ende. Und wenn der Friede ge-
schlossen wird, so kann es sich nur um
einen Waffenstillstand handeln. Es
ist unser geschichtliches Schicksal mit Eng-
land um Sein oder Nichtsein zu kämpfen.
Ich glaube aber nicht, daß ich, auch wenn
ich 80 werde, das Ende dieses Kampfes
erleben werde. Bei K j e l l e n, Großmächte,(1)
ist aber ein erfreuliches Vertrauen auf deut-
sches Wesen zu finden. Herzliche Grüße

August

----

Anmerkung:

(1) Bezug auf das Buch Rudolf Kjellén, Die Grossmächte der Gegenwart, Leipzig, Berlin 1914.

01.04.1917

Seite 1:

E.[ingang] 9.IV Im Felde 1. April 1917

Buch: Schneider von Ulm
gekommen. Noch kein Kakao, Josef hat keine
Grüße bestellt, ich
seh ihn nicht.

Liebe Eltern!

Palmarum(1) trallarum(2), nun
ist´s Frühling geworden. Ein junger
sonniger Morgen, und es wäre
so friedlich, wenn das dumme Ge-
schieße (a) aufhören wollte. Kaum
hatten sich die Kanoniere den Schlaf
aus den Augen gerieben, da fällt
es einem Batterieführer ein. Ein
bischen ärgern könnte ich den Russen
schon. Bautz(3) geht ein Schuß los. Das
war eine Haubitze. Der Russe läßt

---
Anmerkungen:

(a) durchgestrichen: nicht

(1) Der 1.4.1917 war ein Palmsonntag.
(2) Teil eines geläufigen Jägerreims, der sich darauf bezieht, dass die Zugvögel am Palmsonntag wieder da sind und zwitschern.
(3) Bautz ist ein Ausdruck für Kanonendonnern eines Kanonenschussen

Seite 2:

nicht lange warten. Warte, denkt er, ich schieß Eurer Infanterie in die
Kaffeetöpfe. Blaff, blaff, fängt also aufgeregt ein Kanonierbatte-
riechen (a)an(a) nach dem nächsten Dorf zu schießen. Blaue Bohnen, schwarze
wären mir lieber meint der Hiasl(1). Im übrigen kümmert ihn das
Geschieße der Bumber nicht. Er geht in seinen Keller. So kann das
nicht weitergehen, denkt der Abschnittskom.[mandeur] der schweren Art.[illerie]
Wumm sagt die dicke Bertha. Majestätisch segelt ihr Aprilscherz
hinüber zum Russen oder Rumänen. Gegen Ende der Flugbahn
geht´s ein bisschen mühsam und mit einem Seufzen der Erleich-
terung erreicht klein Berthachen das Ziel. Uff, da wären wir.
Donnerwetter, ich muß ja aufplatzen. Es war nämlich mit
Verzögerung verschossen. Pardautz, es löst sich in seine Be-
standteile auf. So ein schweres Dingelchen, wirkt beruhigend.

---
Anmerkungen:

(a) nachträglich eingefügt

(1) mundartlich für Schütze. Der Ausdruck leitete sich von Matthias Klostermayr ab, den Bayerischen Hiasl, der zwischen 1736 und 1771 lebte, ein Wilderer und Anführer einer „gerechten Räuberbande“ war und um den sich zahlreiche Legenden ranken.

Seite 3:

Alles schweigt und wiederum
liegt die Sonne ruhig über der
Gegend. Hinter mir steigen die
Ausläufer der Karpathen auf
bis zu 1000 m. Vor mir erstreckt
sich eine weite, weite Ebene,
die sich allmählich im Sonnen-
dunst verliert. So feiere ich
Palmsonntagmorgen.

Einliegend noch 2 Filme, die
nicht voll sind. Ich brauche von
jedem nur 2 Abzüge.

Herzlichst Euer August

13.04.1917

Seite 1:

E.[ingang] 18.IV Im Felde 13.4.1917

Liebe Eltern!

Wir sind im Ruhequartier dort wo
wir vor Beginn des siebenbürgischen Feld-
zuges waren. Beinahe am selben Platz.
Der Bahntransport war nur kurz. Jetzt
ruhen wir uns aus und bereiten uns
vor zu neuen Taten. Zunächst jedenfalls
sind wir in einem Land (a)wo(a) noch man-
ches Eßbare ist. Eier gibt es in Menge.
Milch auch noch.

Während der letzten Tage an

---
Anmerkung:

(a) überschrieben: „wir“

Seite 2:

der alten Front herrschte dort tiefer
Friede. Man sprach davon, daß die
Russen von Rum.[änen] abgelöst seien auf dem
uns gegenüberliegenden Teil. Sonst aber
war von der Revolution und ihren
Wirkungen nichts zu spüren.

Einen rum.[änischen] Überläufer sah ich, der
davon sprach, daß die Russen die Rum.[änen]
schlecht behandelten. Denen geht es eben
so wie uns. Bei längerer Dauer be-
ginnen die freundschaftlichen Reibereien.
Dieses psychologische Moment ist aber

Seite 3:

bei unseren Gegnern zweifellos stärker
und kann auf die Dauer Bündnisse
lockern, jedenfalls schadet es dem
Zusammenarbeiten.

Post erhalten. Südd.[eutsche] M.[onats] Hefte, Ekke-
hard(1), Solnemann, Fendrich(2), Endres, Stem-
pel mit Kissen und sonstigem Inh.[alt]! Vielen
herzlichen Dank dafür. Nächstens ausführ-
lichere Nachricht. Neueste Karte vom 31/3.
„Neue Welten“(3) möchte ich natürlich nicht. Ich
wußte nicht, daß es so schwer ist. Bloem(4)
mag ich nicht. Aber Fendrich ist gut.

Herzlichste Grüße
Euer August

---
Anmerkungen:

(1) wahrscheinlich Bezug auf das Werk „Ekkehard“ von 1855 von Joseph Victor von Scheffel (16.2.1826-9.4.1886)
(2) Anton Fendrich (8.4.1868-6.1.1949) war ein deutscher Schriftsteller und Politiker.
(3)"Neue Welten" war ein Buch von Wilhelm Bölsche aus dem Jahr 1917.
(4) Walter Bloem (1868-1951), deutscher Schriftsteller

17.04.1917

Seite 1:

E.[ingang] 22 IV [19]17 Im Felde 17.4.[19]17

Liebe Eltern!

Ruhequartier. Leider in einem
Walachendorf, wo kein Mensch deutsch
versteht. Ich sah auf der Fahrt Ploěsti(1)
die Petroleumstadt mit einem
schönen Boulevard, dann wieder
Kronstadt(2) in seiner prächtigen Um-
gebung. Da leuchten Schneeberge
ins saatenjunge Burzenland.
Der Deutschritter Marienburg grüß-
te auf der Fahrt. Schäßburg(3) lag
in einem lieblichen Talkessel.
Schäßburg ist das siebenbürgische

---
Anmerkungen:

(1) Stadt, 60 Kilometer nördlich der rumänischen Hauptstadt Bukarest
(2) Stadt liegt in Siebenbürgen
(3) Stadt liegt im Kreis Mieresch (Mureş) in Siebenbürgen

Seite 2:

Rothenburg o/T.(1) Das müßten wir uns einmal aus der Nähe an-
sehen. Geschäftig behäbig liegt Mediäsch(2) da. Das sind im Kokeltal(3)
die sächsischen Hauptorte. Nun hier.

Zunächst einige Bemerkungen zu den Bildern. Der Ikono-
taph(4) ist das Hauptstück jeder griech.-orientalischen oder -katholischen
Kirche. In großen Kathedralen ist diese Wand, die den Chor völlig
von dem übrigen Raum abschließt, kostbar bemalt aber auch,
so sah ich es in der einzigartigen Höhlenkirche in Üsküb(5) kunst-
voll geschnitzt, in den kleineren und kleinsten Dorfkirchen
besteht sie aus einer Wand mit drei Türen und wenigen
fürchterlichen Buntdrucken. Man kann gar nicht tief genug
in mittelalterliche Bildkunst zurückgehen, bis man ähnlich
primitive Heiligenbilder ohne jegliche Perspektive, z. B. beim
Pferd beide Augen und Nase auf derselben Seite, von der man


---
Anmerkungen:

(1) gemeint ist Rothenburg ob der Tauber
(2)heute Mediaş, deutsch Mediasch, eine Stadt in Rumänien an der Târnava Mare (deutsch Große Kokel)
(3) Das Kokeltal im Karpatenvorland hat den Namen von den zwei Flüssen "Kleine Kokel" und "Große Kokel" und ist von zahlreichen Bergen umgeben.
(4) Ikonostase
(5) Üsküb ist die türkische Bezeichnung des Ortes Skopje.

Seite 3:

das Pferd sieht, findet. Bessere
Bilder leiden alle unter dem
starren byzantinischen Schema.
So habe ich auf den griechischen
Malereien, die im Louvre er-
halten sind, namentlich auf
hellenistischen Sargdeckeln
Köpfe gesehen. Nur in ganz
wenigen Bildern wie z.
B. in Nisch(1) in der Kathedra-
le, sah ich eine freiere Auf-
fassung. Das Bild stammt
aus einer Kirche mittle-
rer Größe in Jarestea(2)

---
Anmerkungen:

(1) Nisch, serbisch Niš
(2) heute Jaristea, rumänisch Jariştea‎, Stadt in der Nähe von Focşani

Seite 4:

2.

Das Haus ist typisch für
Rumänien. Mit Vorbau
und Säulen sind alle, selbst
ärmliche Bauernhäuser aus-
gestattet u. selbstverständlich
immer einstöckig.

Die Tracht der Bauern in
Jarestea ist recht schmucklos,
erinnert mit den Pump-
hosen an Holländer. Ich habe
sie so nur in der östlichen
Walachei gefunden.

Bilder aus Siebenbürgen.
Das Denkmal, das sich das Alpen-

Seite 5:

korps gesetzt hat am Eingang zum Rotenturmpaß(1), die prächti-
ge Verteidigungskirche in Heltau(2), einem der wohlhabendsten
Orte der Gegend um Hermannstadt(3), der Ebene am grünen
Cibin(4), Eine griech.-orient. Kirche in Caineni(5) unmittelbar
über der Grenze im Rotenturmpaß mit selterer äußerer
Bemalung der Wände. Eine der älteren Kirchen.

Noch einige Trachten das spinnende hübsche Sachsenmäd-
chen, der wilde Hirte, rumänische Bäuerinnen und Zigeu-
nerkinder. Dann zuletzt eine Aufnahme meiner
letzten Stellung im Predealpaß(6). Vor dem Einmarsch nach
Rumänien, wie im November der di[ck]e Schnee fiel.

Ich muß eher schließen, ich habe Besichtigung

Herzlichste Grüße Euer August

---
Anmerkungen:

(1) Rotenturmpaß, rumänisch Pasul Turnul Roşu, Talpass im zentralen Teil der Südkarpaten
(2) Heltau, rumämisch Cisnădie, liegt im Kreis Hermannstadt, rumänisch Sibiu
(3) Hermannstadt, rumänisch Sibiu
(4) Der Cibin (deutsch Zibin, ungarisch Szeben) ist ein 82 Kilometer langer, rechter Nebenfluss des Alt (rumänisch Olt) in Siebenbürgen.
(5) Caineni, rumänisch Câineni‎, kleiner Ort südlich von Talmaciu und nördlich von Brezoi
(6) Predeal befindet sich heute im Kreis Braşov und ist die am höchsten gelegene Stadt Rumäniens

25.04.1917

Seite 1:

E.[ingang] 3.V Im Felde 25.4.1917

Liebe Eltern!

Ich bin gesund und munter
wie immer. Nun ist hier ein
recht unschönes Wetter. Wind
Regen und Kälte. Schade. Aber
es macht nichts. Soldaten sind
immer unverdrossen. Wir
machen kleine Ausflüge
nach da- und dorthin. Zu essen
gibt es hier allerhand aber teuer

Herzlichst. August

27.04.1917

Seite 1:

E.[ingang] 3 V Im Felde 27.IV.1917

Liebe Eltern!

Euern Brief vom 18.4. habe ich erhalten.
Herzlichsten Dank. Auch habe ich inzwischen allerhand
lesbares bekommen. Ich habe, glaube ich, schon
gedankt für die griechischen Fabeln u.[nd] Märchen.
Fendrich "an Bord"(1) kam zweimal. Herzlichsten
Dank für alles. Hier bewegt sich der Dienst und
das Leben im gewohnten Geleise.

Es wird exerziert, damit die Leute wieder et[w.]
Disziplin lernen. Am Geschütz wird gearbeitet. Das Ma-
terial ist abgenutzt und bedarf der Wiederherstellung.
Wir machen Rahmenübungen, wobei die Geschütze eben
nur markiert sind und reiten im Gelände herum.

---
Anmerkungen:

(1) Fendrich, Anton: An Bord – Kriegserlebnisse bei der schwimmenden und fliegenden Wehrmacht Deutschlands, Stuttgart 1916. 139 S.

Seite 2:

Das Gelände ist recht einförmig. Weit und breit
ist kein Baum zu sehen. Das ist eben gerade nur in
unserer Gegend der Fall. Die Walachen haben offen-
bar für Gärten kein Verständnis; so liegt denn
unser Rumänendorf in einem von kahlen Hügel
begrenzten kahlen Kessel. Auffällig sind die großen
Weiden. Vielleicht 1/4 allen Landes bis zur Hälfte
ist nüchterne Weide, auf dem sich Schafe in Mengen
herumtreiben. Der Viehstand ist gut. Schöne breit-
gehörnte Rinder, weißgrau wie sie in der ungarischen
Tiefebene auch sind. Daneben schwarze Büffel und
ein Rinderschlag wie die Zinnenthaler(1). Schweine
sind so sehr viele nicht da. Jeder Hof hat ein
Paar. Manche auch nur Ferkel zur Aufzucht.

---
Anmerkung:

(1) spezielle Rinderart (ursprgl. aus der Schweiz)

Seite 3:

Schweine sind schwer zu bekommen. Hühner und
Gänse gibt es viel. Wir haben reichlich Eier. Also
etwa 200 Eier auf einmal zu kriegen, fällt nicht
schwer. Der Versand nach Hause aber dürfte schwie-
rig sein. Mit der Post geht es nicht und mit der
Bahn dauert es Monate. Teuer ist alles. Das
Ei 30 Heller(1), was etwa 19 Pfennig entspricht.

Soeben bringt mir meine Wirtin, die ausnahms-
weise freundlich ist, eine Schüssel voll saurer Milch
herein. Der Krieg hat mich auch das essen lehren
und so futtere ich meine Schüssel auf mit Hülfe
selbstgebackenen Brotes. Die Milch ist viel saurer
als bei uns. Es ist wahrscheinlich das, was man bei
uns Yogurt nennt, schmeckt aber gut und
man soll ja hundert Jahre alt werden davon.

---
Anmerkung:

(1) alte Einheit in der süddeutschen Region,
8 Heller = 4 Pfennig = 1 Kreuzer

Seite 4:

Im übrigen sagt man doch, Totgesagte lebten
recht lange. Auch danach sind die Aussichten für
mich nicht schlecht. In Petersdorf(1), dem alten Quar-
tier galt ich als tot, so tot, daß meine Quar-
tierswirtin sich sogar nach mir erkundigt hat.
Nun ich habe ihr einen Besuch gemacht und sie
hat anerkannt, daß ich noch recht lebendig sei.

Was aus uns wird, weiß immer
noch niemand. Nun wir sind es ja gewohnt,
überall zu sein.

Herzlichste Grüße und noch-
mals vielen Dank für den lieben Brief mit
der Schilderung des Fliegerangriffs. Hoffentlich
können wir es den Engländern gründlich heim-
zahlen.
Herzlichst August

---
Anmerkung:

(1) Ortschaft bei Mühlbach

05.05.1917

Seite 1:

E.[ingang] 10 V Im Felde 5. Mai 1917

Liebe Mutter!

Vielen, vielen Dank für deinen
lieben Brief. An ebensolchem warmem
sonnigen Vormittag wie du, sitze ich
und antworte. Hier ist nun wirklich
das Frühjahr eingezogen. Unsere
Pferde ackern draußen für die Bauern.
Und wir exerzieren nicht zu viel aber
auch nicht zu wenig. In dem stillen

Seite 2:

Dörfchen ist es recht langweilig und
so ruhen wir uns recht aus.

Es ist kaum anzunehmen, daß
wir an die W.[est]front kommen. Da-
gegen sprechen verschiedene Gründe.
Ich darf diese nicht alle hier anführen.
Es scheint so, als ob wir noch länger
hier blieben. Allein es kommt ja
immer anders. Ich schicke dir ein-
geschlossen die Bilder, die ich neulich

Seite 3:

erhielt, mit Bezeichnung zurück.
Ich habe vermerkt, von welchen Bildern
ich noch weitere Abzüge haben möchte.
Du befürchtest, daß ich mir die Lebens-
mittel, die ich schicke, entziehe. Davon
ist keine Rede. Ich kaufe sie hier, wie
sie jeder kaufen kann. Man hat
hier eben noch manches.

Wir machen ab und zu Ausritte
in die nähere Umgebung. Davon er-
zähle ich gelegentlich einmal. Herzlichst

August

13.05.1917

Seite 1:

E[ingang] 18 V Im Felde 13.5.[19]17

Liebe Eltern!

Beiliegend einige Bildchen aus Kelling(1)
einem kleinen sauberen Sachsendörfchen(2)
in der Nähe von Mühlbach(Szaszsebes)(3)
(800 Einw.) mit einer prächtigen Bauern-
burg. Diese Burg ist eine der wenigen
profanen Verteidigungsanlagen der
Sachsen. Sonst sind es durchweg Kirchen-
burgen. Von den Bildern der Burg
bitte ich mir 3 Abzüge zu senden, sonst
keine. Die rumänische Schöne ist meine
Haustochter. Die Soldaten sind bei ei-
nem Waldfest, das die Bevölkerung
von Kelling veranstaltete, aufgenommen.
Alle mit Kuchen bewaffnet, den Kellings
Sachsen gestiftet haben. Am 10. habe
ich 50 Eier mit einem Urlauber an
Euch geschickt. Herzlichst August

---
Anmerkungen:

(1) Kelling: ein Dorf in Siebenbürgen (im Karpatengürtel Rumäniens);Besonderheit ist die Kellinger Burg.
(2) Siebenbürger Sachsen: deutschsprachige Minderheit im heutigen Rumänien. Folge der Ostsiedlung. Ihr Gebiet in Siebenbürgen hatte nie Anschluss an reichsdeutsches Territorium, sondern gehörte stets zum Königreich Ungarn bzw. Kaisertum Österreich.
(3) Mühlbach: rumän. Sebeş im (Kreis Weißenburg) ist die nächste Stadt in Nähe von Kelling; A. Dänzer gibt in Klammern den ungar. Namen an: Szászsebes; wie Kelling ist Mühlbach eine siebenbürgisch-sächsische Ortschaft.




18.05.1917

Seite 1:

Im Felde 18.V.1917

Liebe Eltern!

Eure Briefe vom 7/5 und vom 12/5, Inzwischen
auch mehrere Päckchen mit Bonbons und Spiritu-
osen habe ich erhalten. Vielen Dank dafür.

Zunächst die Bilder. Ich sende dir die Abzüge
mit Bezeichnung zurück und gleichzeitig bitte
ich um Herstellung so vieler Abzüge, als darauf
vermerkt sind. Es hat jeder der Herren seinen
Anfangsbuchstaben u.[nd] Zahl ihrer Abz.[üge] vermerkt.
So wäre es gut, wenn Vater die Abzüge mit
den Vermerken wieder zurückschicken wollte.

Zu den Bildern ein paar Worte. Ein
Teil ist noch aus Jarestea(1), Typen aus dem
Dorf[,] unser kleines aber wichtiges Häuschen,

---
Anmerkung:

(1) Jarestea: Gemeinde im Kreis Vrancea in der Region Westmoldau in Rumänien, nördlich von Focşani.




Seite 2:

Georg unser Zigeunerknabe, der mit der Batterie gezogen ist, den ich aber jetzt nicht
mehr mitgenommen habe, weil er zu faul ist. Zwei Bilder zeigen die eigen-
tümlichen Ziehbrunnen. Ein Bild zeigt unseren Veterenär bei der Arbeit eine
Blutprobe zur bakteriologischen Untersuchung zu entnehmen. Der zweite Teil der
Bilder ist aus Oládalya(1) bei Mühlbach unserem derzeitigen Ruhequartier, Gestalten
aus der Bevölkerung: Die Aufnahme mit unserem dicken Quartierwirt war ein
Scherz. Einige Aufnahmen sind gemacht in der Bauernburg Kelling. Die großen
Bilder sind ohne weiteres erkenntlich. Die Aufnahme von Schäßburg(2), dem sie-
benbürgischen Rothenburg(3), ist leider mißglückt.

Was nun Tante Anna anlangt, so hat mir ihr Hinscheiden aufrichtig leid getan.
Sie war immer lieb gegen uns gewesen. Zu deinem freigebigen Vorschlag, lieber Vater,
sage ich im Prinzip ja. Jedoch in der Praxis, um sich zu entscheiden, müssen noch ver-
schiedene Voraussetzungen klar gestellt werden. Zunächst, was wird mit mir
selber werden nach dem Krieg, wenn ich ihn glücklich überstehen sollte. Zwei
Laufbahnen öffnen sich vor mir. Die eine ruhige ist die eines Amtsrichters und

---
Anmerkungen:

(1) Olah-Dálya: Ort in Siebenbürgen nordwestlich von Mühlbach.
(2) Schässburg: bedeutende Stadt in Siebenbürgen (heutiges Rumänien) im Kreis Mieresch (rumän. Mureş).
(3) Bezug auf Rothenburg ob der Tauber

Seite 3:

s.[o] w.[eiter], die andere beginnt im Ausw.[ärtigen]
Amt und führt in die weite Welt. Diese
letztere ist immer noch die, die ich vor allem
einschlagen möchte. Es liegt auf der Hand,
wie verschieden je nachdem der Besitz des
Hauses für mich zu bewerten ist. Sodann
ist noch gar nicht klar, was das Haus kosten
wird, zu welchem Preis, meine ich, du,
Vater, das Haus übernimmst. Die Miet-
verhältnisse, ob Tante Adele wohnen
bleibt oder nicht und zu welchem Miets-
preis, sind nicht geklärt. Dann habe ich
das Haus zum letzten Mal vor 8 Jahren
etwa gesehen und der bauliche Zustand



Seite 4:

bedarf doch sicher der gründlichen Herrichtung.
Wie viel wird das kosten? Dann bin ich mir
nicht im Klaren, wie viel dauernde Auf-
wendungen solch ein Haus erfordern wird.
Das sind doch alles Fragen, die eine end-
liche Klärung erst nach dem Kriege finden
werden. Also bis dahin muß wohl die
Entscheidung verschoben werden.

Eine andere Frage aber, die der Namens-
änderung, kann ich, wenn Ihr, liebe El-
tern, einverstanden seid, schon jetzt in
Fluß bringen. Es würde mir dazu erfor-
derlich sein zunächst festzuhalten, wer diese
letzte Trägerin des Namens Vanotti,



Seite 5:

die Marie Vanotti, ist, wie und ob ver-
wandt und ob sie was einzuwenden hat.
Im übrigen geht der Weg über Amtsgericht
Freiburg zum Justizministerium. Es ist
die Namensänderung ein reiner Gnaden-
akt und kann also verweigert werden
ohne Gründe. Ich habe aber die Empfindung
als ob die Übernahme des Namens Vanotti
ein Akt der Pietät gegen die ausgestorbe-
ne Familie der Mutter wäre.

Zum Schluss noch die Mitteilung,
daß wir wieder mal nach dem (a)
Lied vom lustigen Müller handeln.

Herzliche Grüße euer dankbarer
August

---
Anmerkung:

(a) durchgestrichen: „Wille“